Lyrik
Dies ist nicht nur eine Seite für Lyrikliebhaber. Es ist ebenso eine Seite für all jene, die das Prosaische transzendieren wollen (in ihrem Leben, in ihrer Partnerschaft, in ihren Träumen). Weshalb hierher auch die Ironie passen würde. Aber der wird ohnehin so viel Aufmerksamkeit gewidmet.
Hört sich pompös an: das Prosaische transzendieren. Aber genau das braucht es. Das Gewalttätige, Böse hat keinen Ort im Lyrischen. Ich weiß, eine steile These. Und ganz sicher gibt es auch Ausnahmen, insbesondere dort, wo das Lyrische ins Pathetische entgleist. Aber um diese Analyse geht es mir gar nicht, sondern darum, dem Wesen des Lyrischen auf die Spur zu kommen. Zu tun hat es mit Schwingung, Liebe, Intuition, Gesang, Leere, Schönheit (in all ihren Brechungen), dem Wesen von Sprache, Ästhetik, dem Unsagbaren. Ich bin überzeugt: Lyrik hat revolutionäres Potenzial. Würden wir uns dem Lyrischen widmen, verlören wir den Sinn für das Harte in der Welt.
Ein paar grundsätzliche Gedanken dazu habe ich festgehalten in dem Text Lyrolution.
Die Lyra
Die Lyra war der antika Vorläufer unserer Harfe; aber kein so mächtiges Instrument, sondern in ihrer poetischten Variante ein Zupfinstrument, dessen Körper aus einer Schildkrötenschale bestand, über die sich die Saiten zogen. Seitlich nach oben ragten Ziegenhörner, die mit einem Stock quer verbunden waren. An ihm konnten die Saiten befestigt werden. So verband sich die bedächtige, Zeit überspannende Schildkröte mit der quicklebendigen, sprunggewaltigen Ziege zum schönen Ton der Lyra, dem Instrument der Dichter und Denker. So wurde der Geist der Natur hörbar. Und so kann ich gut verstehen, dass Günter Eich einmal formulierte, dass Lyrik die Übersetzung des Unsagbaren in Worte sei.
(Foto: Fingalo/wikipedia Commons)
Über die Liebe
Es gibt viele Tage im Jahr, an denen ich die Welt umarmen könnte (danke, Welt). Und nur, an denen das nicht so ist. Von daher sind wohl die meisten meiner Gedichte Liebesgedichte, selbst wenn sie gar nicht so klingen.
Aber hier, in dieser Rubrik, hebe ich mal die auf, die die meisten Menschen als Liebesgedichte bezeichnen würden. Natürlich sind sie aus Begeisterung für eine Frau entstanden, doch wünsche ich mir, alle Frauen könnten sich dadurch angesprochen fühlen. Ihr seid es, die so Wundervolles (im wahrsten Sinne des Wortes) auslösen können. Und allein schon dafür bin ich Euch dankbar.
Bobby
Einige meiner Liebesgedichte
(Aber vielleicht bist ja keine Freundin von Liebesgedichten.
⇒ Die Vierzeiler haben einen ganz eigenen Reiz.)
Trosternte
Tatsächlich. Ich suche Trost.
Ich befreunde mich mit Schweinen,
diesen kleinäugigen Morastexperten,
mit Vierhändigen und den Großen
im Kleinmut.
Mit Scheinheiligen trinke ich
ein paar Gläser Whisky
gegen den Durst nach Wahrheit.
Das bringt wenigstens
einen dicken Kopf.
Ich enthaupte mich und
opfere meinen Kopf auf dem Altar
meines Unterleibs.
Mein Glück backe ich
aus den Leibern der Mädchen.
Ich werde Rosengärtner
im Garten des Vergessens.
Das Unkraut der Erinnerung
reiße ich aus.
Auch das ist mir Trost.
Und dir sei Trost,
dass ich dich nicht kenne
noch kennen will.
Ich kaufe dich in Scheibchen
die, ohne mich, nie ein Ganzes ergeben.
Ich würde mich gerne im Arm halten,
und auch dich,
aber ich stoße auf keine Gegenliebe.
Also mache ich aus
unseren Beichtstühlen Feuerholz.
Das Nichts in meiner Hand
Was bleibt,
wenn der Wüstenwind
deine Spur im Sand verweht?
Was bleibt außer Wüste?
Was bleibt, wenn nichts bleibt?
Warum ist denn endlich nicht nichts?
Wenn selbst Fata Morganen zu Illusionen gerinnen,
bleibst du, Ferne.
So will ich dich nennen, Hoffnung,
du Nichts in meiner Hand.
Du
Du Lebenswegtrost.
Du Mutmacherin.
Du Bucht, in die
die Schiffe fliehn bei Sturm.
Du Teestunde am Abend,
du Harfenklang.
Du Flur, in die der Morgennebel rollt.
Du Auge, das in meines taucht,
du Gipfelüberschuss,
du Meerestiefenleuchten,
du ferner Hoffnungsklang und Lebenszeichen.
Du Korn,
du Keim,
du Schoß.
Feststellung
Wenn da nichts wär’ als du:
Du – das wäre mir genug.
Wenn da nichts wär’ als du:
dann wäre das Nichts
ziemlich am Ende.
Und unser Anfang gäbe
dem Nichts einen Sinn.
Armes Nichts.