Essays
Mein Vorsatz, auf diesen Seiten nur positive Gedanken formuliert zu sehen,
gilt auch hier, verlangt aber nach Erläuterung.
Die folgenden Artikel und Essays kann man letztlich nur verstehen,
wenn man sie vor dem Hintergrund einer Philosophie liest,
die nicht nur die Mitwelt dem Menschen gleichstellt,
sondern umgekehrt dem Menschen, weil ich nur mal Mensch bin,
die gleiche Würde verleiht wie dem Kirschbaum vor meiner Haustür
oder den Feldsteinen in den kleinen Mauern rund um unser Haus.
Mit anderen Worten:
Jeder dieser Texte sagt eine Menge über mich.
Weshalb ich ihn auch der Rubrik „Über mich“ zugeordnet habe.
Manchmal darf auch geschmunzelt werden,
aber bitte nicht zu oft!
Vor kurzem geschrieben
Die Wirklichkeit ist stereo – mindestens (vom 4.1.2025)
Warum das so ist und was es vielleicht bedeutet oder auch nicht.
Meinen Sie auch, die linke Gehirnhälfte (die angeblich männliche) sei fürs logische Denken zuständig und die rechte (angeblich weibliche) für den emotionalen Blick auf die Welt? Dieses Märchen habe ich auch eine Weile geglaubt. Wer sich diesbezüglich weiterbilden will, kann ja mal unter Hemisphären-Modell nachforschen. Der kleine Rest, der davon übrig zu sein scheint, ist die These, dass Sprache überwiegend in der linken Hirnhälfte verarbeitet wird.
Ältere, immer noch gültige Essays
Erkenntnisse vom Schreibtisch der Schöpfung. Ein Beitrag zum Rassismus.
„Die Fliege ist ein Tier.“ „Ja, weiß ich“, werden Sie jetzt vielleicht im Stillen antworten. Und ich setze dagegen: Wissen Sie nicht. Ich behaupte, Sie halten die Fliege für eine Fliege, allenfalls noch für ein Insekt. Aber eben nicht für ein Tier. Stimmt’s?
So ging’s mir auch. Bis heute, bis vorhin. Gerade krabbelt sie auf meinen schreibenden Fingern herum und ich habe beschlossen, sie weder zu verscheuchen noch zu töten. Weil sie nicht nur eine Fliege ist, sondern eben auch ein Tier.
Fliegen gibt es nicht
Tatsächlich ist diese Fliege keine Fliege, weil es Fliegen nämlich gar nicht gibt. Eine Fliege kann man ebenso wenig anfassen wie die Liebe oder die Zahl Eins; denn „Fliege“ ist ein Oberbegriff und wie alle Oberbegriffe abstrakt; diese Fliege hier ist aber kein Abstraktum, sondern höchst konkret. Es gibt zahlreiche Unterfamilien der Fliegen, die ich natürlich nicht kenne. Ich weiß nicht einmal, ob es sich bei meiner Fliege, die ich jetzt mal „Peter“ nenne, um einen Spalt- oder um einen Deckelschlüpfer handelt. Vermutlich ist Peter eine Stubenfliege; wenigstens davon habe ich schon mal gehört.
Eine Fliege namens Peter, hm … ich habe keine Ahnung, ob es ein Peter oder eine Petra ist, denn es gibt auch weibliche Fliegen. Wie auch immer, der Name verleiht ihm schon eine gewisse Individualität. Und das ist gut so, denn wie alle anderen Lebewesen unterscheiden sich auch Fliegen voneinander. Mein Peter ist eine andere Stubenfliege als jene, die unten im Wohnzimmer herumsaust. Er hat vielleicht schönere Facettenaugen oder seine Beine sind hübscher behaart als die seiner Schwester. Und ebenso, wie die Individualität von Fliegen feststeht, steht auch fest, dass Peter ein entscheidendes Grundbedürfnis mit mir teilt: Er will ein gutes Leben leben. Vielleicht sogar glücklich sein; wer weiß das schon.
Die Fliege und ich
Was hat das nun alles mit meiner Eingangsbehauptung zu tun, die Fliege sei ein Tier? Ich fange mal vorsichtig an mit der Definition von „Tier“. Die einfachste lautet: „Tiere sind Lebewesen, die organischer Nahrung bedürfen.“ Mit anderen Worten: Peter und ich sind bezüglich dieser Definition absolut deckungsgleich. Das trifft auch auf diese komplexere Definition zu: „Tiere sind Lebewesen mit Zellkern, die ihre Stoffwechselenergie nicht wie Pflanzen aus Sonnenlicht beziehen, Sauerstoff zur Atmung benötigen, aber keine Pilze sind.“
Hätte ich Sie nach einem Oberbegriff für Fliege gefragt, dann wäre Ihnen vermutlich „Insekten“ eingefallen. Also eine Gruppe von Lebewesen, zu denen wir auch Mücken zählen und es uns schon zu jucken beginnt, wenn wir nur daran denken. Tatsächlich wäre Ihre Antwort – wie die meine auch – falsch gewesen oder zumindest sehr ungenau. Fliegen gehören zur Unterordnung der Brachycera, Mücken zur Unterordnung der Nematocera. Doch das spielt in unserem Zusammenhang keine Rolle. Entscheidend ist, dass wir Fliegen nicht für „Tiere“ halten, sie jedenfalls weder mit Hunden und Katzen noch mit anderen Tieren wie Kanarienvögeln, Walen oder Koalas in Verbindung bringen. Und weil das so ist, genießen Fliegen keine Sympathie.
Katzen sind nicht wertvoller als Fliegen
Die Bereitschaft, eine Fliege zu töten, ist deshalb bei den meisten Menschen ungehemmt; nur Mücken schlagen wir noch schneller tot. Doch für die Tatsache, dass wir das Leben einer Katze für wertvoller halten als Peters Leben, gibt es keinen objektiven Grund. Anders ausgedrückt: Wir handeln diesbezüglich, und wie so oft, völlig willkürlich als kleine Könige der Schöpfung. Wen ich umbringen darf, entscheide ich. Warum ist das so?
Ganz einfach. Tief in uns haust eine Art Werte-Ranking; es entscheidet über wertvolleres und wertloseres Leben (die Nazis haben das weidlich ausgenutzt). Und Peter rangiert eben fast ganz unten, aber doch ein gutes Stück über den Läusen. Das ist auch der Grund, weshalb Tierrechtler sich nicht für das Leben von Fliegen einsetzen, sondern zum Beispiel für das von Schimpansen. Grausame Experimente mit Schimpansen erregen Empörung, grausame Experimente mit Fliegen interessieren wenig. Ob die Einstufung nach wertem und unwertem Leben angeboren ist, bezweifle ich; sehr viel wahrscheinlicher ist, dass uns diese Wertekategorien kulturell eingeimpft werden. Im Südseeraum genießen zum Beispiel Haie eine ähnliche Verehrung wie bei uns die Delfine.
Es gibt für uns auch wertlosere Menschen
Und je nach kulturellem Umfeld geben wir auch Menschen eine unterschiedliche Wertigkeit. So halten wir den Tod eines Deutschen für ungleich wichtiger als den Tod eines Amerikaners, Chinesen oder Bhutanesen. Ein Hausbesitzer scheint wertvoller zu sein als ein Bettler und ein Manager wertvoller als ein Arbeiter. Und: Ein Mensch mit deutscher Staatsangehörigkeit ist wertvoller als ein Flüchtling. Dass in vielen Ländern der Erde ein Mann wertvoller ist als eine Frau, ist eine Binsenweisheit. Ebenso, dass ich wertvoller bin als Peter und ich dieses Tier deshalb bedenkenlos und ungestraft töten darf. Zu dumm allerdings, dass Peter meinen Tötungsversuchen clever zuvorkommt und meiner Schicksalshand zuverlässig entwischt. Zu guter Letzt ist er schlauer als ich, wer weiß? Und vor allem: Was denkt Peter von mir? Hält er – oder sie – mich für ein Tier?
Bobby Langer
Der Versuch einer Antwort
Es fängt schon mit dem Namen an: Heißt es nun Yoga oder Joga? Yoga klingt edler, Joga machbarer. Suchen Sie sich’s aus, beides ist richtig, solange Sie von d e m Yoga sprechen, denn der Begriff ist für die meisten Eingeweihten männlich. Der Duden hingegen akzeptiert auch „das Yoga“.
Um bei den Begriffen zu bleiben: Üblicherweise wird ein Yogameister als Yogi bezeichnet, ein männlicher Praktizierender als Yogin; die weibliche Yogaschülerin heißt Yogini. Spannenderweise bedeutet dieser Begriff im Sanskrit eigentlich „Zauberin“ bzw. „Frau mit gottähnlichen Eigenschaften“. Womit die ursprüngliche Nähe des Yoga zum Magischen angedeutet sei. Auch die Namensherkunft ist nicht eindeutig, wird aber in der Regel mit dem Wort yuga für „Joch“ in Verbindung gebracht. Gemeint ist damit, Körper und Seele zu verbinden, um den Geist zu bündeln; Endziel ist theoretisch „das Zurückhalten der Bewegungen des Geistes“, so die berühmte Yogadefinition des Patanjali, der seine Yoga-Sutras um 400 nach Christus verfasste (vielleicht aber auch 600 Jahre früher).
Alles, nur kein Kinderkram
All dies ist für den Yoga-Interessierten vielleicht egal, wird hier aber erwähnt, um klar zu machen, dass das Spektrum des Yoga so weit gefächert ist, dass er oder sie gut daran tut, sich sorgfältig zu informieren, in wessen Hände man sich begibt. In aller Regel erwartet man vom Yoga Techniken zur Verbesserung der Gesundheit, der Konzentrationsfähigkeit, der Entspannung, der Belebung der Sexualität und des allgemeinen Wohlbefindens. Alle fünf Aspekte kann guter Yogaunterricht zweifellos unterstützen. Eine größere Vitalität und mehr Gelassenheit sind Ergebnisse regelmäßigen Yogaübens. Allerdings unter einer Voraussetzung: Yogini bzw. Yogin behalten sich ihre körperliche und geistige Souveränität vor und übergeben sich nicht kritiklos dem jeweiligen Lehrer/Guru. William J. Broad, dessen Yogabuch „The Science of Yoga“ die amerikanischen Bestsellerlisten stürmte, formuliert klipp und klar: „Yoga kann töten und verstümmeln – oder Ihr Leben retten und Ihnen das Gefühl geben, ein Gott zu sein … Verglichen damit wirken die meisten anderen … körperlichen Betätigungen wie Kinderkram.“
Üblicherweise erlernt man in westlichen Yogakursen Stellungen des so genannten Hatha Yoga (so genannte Asanas). Er zählt zum Raja Yoga und beschäftigt sich mit der dritten der acht Yogastufen des Patanjali (siehe unten). Je nach Lehrmeinung erlernt man Asanas einzeln und/oder in einer gleitenden Abfolge. Dabei achtet der Yogalehrer darauf, dass der Schüler die Haltungen korrekt im Sinne von kräftigend und nicht schädigend ausführt. Im weiteren Verlauf werden Atemführung und Körperübung eng miteinander gekoppelt. Die berühmteste Asana-Folge ist der Sonnengruß mit üblicherweise 12 Haltungen. Klassische westliche Yogakurse leiten grundsätzlich nicht dazu an, sich zu verbiegen oder sich Gewalt anzutun. Im Gegenteil: Ein achtsamer, rücksichtsvoller Umgang mit dem eigenen Körper ist die Grundlage der Kurse der weitaus meisten Anbieter. Niemand muss für Yoga auch nur ansatzweise einen Kopfstand beherrschen; umgekehrt schadet es auch nicht, fit und trainiert zu sein. In der Regel besteht eine Yogastunde aus Asanas gefolgt von einer Tiefenentspannung. Yogawege, die im Westen nur selten gelebt werden, sind der Jnana Yoga (Yoga der Erkenntnis), Karma-Yoga (Yoga des selbstlosen Handelns) und Bhakti Yoga (Yoga der spirituellen Hingabe). Ein Blick auf die Würzburger Yogaszene belegt die Vielfalt des Yoga: Allein das Programm der Volkshochschule umfasst 82 Einträge. Das yogahaus Würzburg hat Programm von Montag bis Sonntag. Da gibt es dann auch schon mal Specials wie Hormonyoga zur positiven Beeinflussung des weiblichen Hormonsystems oder den Acro Yoga Jam, eine Mischung aus Yoga, Thai Massage und Akrobatik.
Guter Yogaunterricht?
Doch was ist guter Yogaunterricht? Mit Fachrichtungen wie Ashtanga-, Bikram-, Kundalini- oder Iyengar-Yoga kann kaum jemand etwas anfangen. Die Minimalforderung an einen guten Yogaunterricht muss sein, dass die Lehrperson über die Kompetenz verfügt, Asanas nutzbringend und schadlos zu unterrichten. Im besten Falle geht der Yogalehrer auf die körperliche und seelische Persönlichkeit des einzelnen Übenden empathisch ein und bemüht sich, beide Aspekte behutsam zu stärken und zusammenzuführen. Dass eine solche Maximalforderung nicht in einem einstündigen Kurs mit 12 Yogaschülern zu leisten ist, versteht sich von selbst. Optimal lässt sich Yoga letztlich nur im Einzelunterricht lehren. „Yoga ist ein Weg der ganzheitlichen Erfahrung. Dabei stehen sowohl die Stärkung der individuellen Fähigkeiten als auch die Frage nach dem Sinn des Lebens im Mittelpunkt. Da diese Aspekte für jeden Teilnehmer unterschiedlich sind, kann der Einzelunterricht in besonderer Weise auf den Menschen eingehen und ihn in seinem persönlichen Weg unterstützen“, so die Würzburger BDY-Yogalehrerin Helena Scheiner. Gut und nützlich (und preiswerter) ist Yoga aber durchaus auch in der Gruppe. Aufgrund seines modernen, sanften Ansatzes eignet sich Yoga für Schwangere und Gesunde ebenso wie für Kinder oder Menschen mit körperlichen bzw. seelischen Einschränkungen.
Wie aber kommt ein Yogalehrer zu seiner Kompetenz? Tatsächlich ist der Begriff des Yogalehrers trotz aller Bemühungen der Verbände nicht geschützt. Jeder Leser dieses Textes könnte eine Anzeige aufgeben und sich darin ungestraft „Yogalehrer“ nennen. Um nicht missverstanden zu werden: Brief und Siegel eines Yogaverbandes sind ebenso wenig Garantie für guten Unterricht wie das Fehlen einer formalen Urkunde zwangsläufig schlechten Unterricht bedeutet.
Yoga-Organisationen
Die zentrale Organisation für Yogalehrer in Deutschland ist der 1967 gegründete BDY (Berufsverband der Yogalehrenden in Deutschland e.V.). Eine Ausbildung zum Yogalehrer nach den Richtlinien des BDY setzt eine dreijährige Yoga-Praxis voraus, dauert drei Jahre und umfasst 2.280 Unterrichtsstunden. Grundlage der BDY-Ausbildung ist ihre weltanschauliche Neutralität: „Wir vermitteln bewährte gesundheitswirksame Methoden und Übungsweisen des Yoga in voller Anerkennung der geistigen und konfessionellen Freiheit des anderen Menschen“, so der BDY über sich selbst. BDY-zertifizierte Yogalehrer finden sich im Internet unter https://www.yoga.de/yoga-lehrerin-finden
Eine zweite große Yoga-Organisation ist das 1992 gegründete Yoga Vidya mit seinem Berufsverband der Yoga Vidya Lehrer/innen (BYV). Yoga Vidya ist spirituell ausgerichtet, orientiert sich an den Gurus Sivananda und Vishnu-devananda und bietet mehrere Ausbildungswege zum Yogalehrer: von einer vierwöchigen Intensivausbildung bis zur dreijährigen Ausbildung. Nach eigener Aussage steht Yoga Vidya für „Vielfalt und für Tiefe, für Tradition und Moderne, für die Verbindung von Ost und West“. BYV-Lehrer finden sich unter yoga-vidya.de/netzwerk/berufsverbaende/byv/yogalehrerverzeichnis.
Was will ich eigentlich?
Unabhängig von diesen beiden großen Organisationen bieten zahlreiche andere Seiten wie 3ho.de Yogalehrerausbildungen an. Ob man sich nun einen BDY-, einen BYV-Lehrer oder einen anderen Yogalehrer aussucht – in jedem Fall sollte man mindestens eine Probestunde ohne weitere Vertragsbindung vereinbaren. Denn nur im persönlichen Kennenlernen findet man heraus, ob die Person des Lehrers und sein Unterrichtsstil zu einem passen. Zuvor ist es hilfreich, sich seine eigenen Motivationen bewusst zu machen:
– Will ich ein grundlegendes Gespür für Yoga bekommen, um die Übungen in meinen Alltag zu integrieren?
– Möchte ich meine Motivation stärken, indem ich zusammen mit anderen Menschen praktiziere?
– Bin ich auf der Suche nach neuen Freundschaften in einer neuen Umgebung?
– Interessieren mich die spirituellen Aspekte des Yoga und wenn ja, welche?
Das Gefühl, man würde den athletischen oder spirituellen Ansprüchen seines Lehrers nicht genügen, reicht aus, den Lehrer zu wechseln. Man darf sich nicht ständig korrigiert fühlen, vielmehr geht es um den Eindruck einer erwünschten Unterstützung. Mehr als in vielen anderen Bereichen muss die „gemeinsame Schwingung“ einfach passen. Dies gilt umso mehr, wenn man mit Hilfe des Yoga auch in die spirituellen Dimensionen östlichen Denkens vorstoßen will. Meiden sollte man unbedingt Gruppen, in denen Angst, Schuld und Manipulation Mittel gemeinsamen Umgangs sind, bzw. Gruppen, die es nötig haben, sich von anderen spirituellen Traditionen scharf abzugrenzen.
Auch wenn dies im westlichen Yoga nur eine geringe Rolle spielt, besteht der Yogaweg aus Sicht des großen Yogaphilosophen Patanjali aus acht Stufen, die aufeinander aufbauen und immer schwieriger werden. Die dritte Stufe dieses Weges ist Asana, die Wahrnehmung des eigenen Körpers in seiner Tiefe und letztlich Vergänglichkeit. Die siebte Stufe ist Meditation als Forschung nach dem wahren Selbst. Keine Yogaübung, die im Tiefsten nicht in diese Richtung zielte. Die letzte, achte Stufe ist schließlich Samadhi, der Zustand der Erleuchtung.
Yoga machen darf bodenständig sein. Es muss mit dieser spirituellen und überkonfessionellen Weltsicht nichts zu tun haben. Sie eignet sich definitiv nicht für jedermann. Doch bietet Yoga mit diesem potenziellen Weg eine ganz besondere Chance, die mit körperlichen Übungen beginnt und mit geistiger Vervollkommnung weitergehen kann, wenn man dies möchte. Wenn nicht: auch gut. Zumindest die Yogalehrer des BDY sind diesbezüglich (theoretisch) offen und wertneutral. Einen Lehrer sollte man sich allerdings schon suchen und nicht allein mit Videoanleitungen arbeiten. Sie können keine Fehlhaltung korrigieren, keine Muskelzerrungen oder Sehnenansatzreizungen, Bänderdehnungen oder Wirbelgelenk-Blockaden. Vorsicht also: falsches Yoga kann mehr schaden als nützen.
Bobby Langer
Von Bobby Langer
Ausländer – dabei denken wir heute meistens an „Flüchtlinge“. Auch ich kann mich nicht davon freimachen; die Wirkung der Medienberichte ist übermächtig. Dabei entstamme ich selbst einer Flüchtlingsfamilie: Meine Eltern waren Schlesier und bis zu ihrem Lebensende in Bayern mehr geduldet als akzeptiert. „Flüchtlinge“ kennen die meisten von uns aus dem Straßenbild oder durch Begegnungen im Supermarkt. Mit ihnen wirklich zu tun haben nur jene, die ihnen ehrenamtlich oder amtlich begegnen.
Roland Schwerthöfer, Herausgeber des Stadtbuches, war einer von ihnen, und gehörte zu den Aktiven im Helferkreis von Geroldshausen. Ich selbst gab zwei Jahre in Marktheidenfeld Deutschunterricht für zwei Klassen von jugendlichen Flüchtlingen. In einem Gespräch über unsere Erfahrungen mit „den Flüchtlingen“ stellten wir fest, dass sich die tragischen mit den komischen Elementen oft die Waage hielten.
Machos sind die Ausnahme
Das muss man sich mal vorstellen: 20 junge Männer zwischen 16 und 21 Jahren kommen aus einer Verhüllungskultur nach Westeuropa, wo sie mit Sexsignalen bombardiert werden. Gewohnt, dass Mädchen scheu den Blick abwenden, begegnen sie auf dem Schulgelände hauteng gekleideten, jungen Frauen, die ihnen selbstbewusst und neugierig in die Augen schauen; denn die meisten „meiner Jungs“ sind attraktive und charmante junge Männer, deren meist schüchternes Auftreten zusätzlich anziehend wirkt. Machos sind die absolute Ausnahme. Und weil nun mal alle von ihnen Handys haben, besteht der nächste Schritt nach dem ersten Kontakt via Schuldeutsch – „Hallo, mein Name ist … Ich komme aus Syrien. Wie heißt du?“ – im Austausch von Telefonnummern. Schon bald konnten sich die Mädels aus der Elften vor SMS nicht mehr retten. In den meisten standen Varianten von „Ich liebe dich“. Eine Deutschstunde zum Landeskunde-Thema „Liebeserklärungen in Deutschland“ war fällig. In keiner Stunde zuvor waren mir die Jungs so an den Lippen gehangen wie in dieser. Die Klasse war mucksmäuschenstill, um nur ja keine Information zu verpassen. Alle wissen: Würde ich eine Deutsche heiraten, wäre ich aus dem Schneider. Doch der Weg dahin ist weit, meistens unerreichbar weit.
Dazwischen steht erst einmal die Relativierung des archaischen Rollenbildes von Mann und Frau.
Von dem 53-Jährigen R. aus Kabul erzählt Roland: „Er kam mit Frau und sechs Kindern nach Deutschland. Sozialisiert wurde er im Taliban-Klima: Frauen mussten zu Hause bleiben und durften nur in Begleitung und voll verschleiert auf die Straße. Diesem Mann fiel es schwer, einer Frau auch nur die Hand zu geben, weil er das noch nie in seinem Leben gemacht hatte.“ Folgende Situation warf ein bezeichnendes Licht auf seine Männerrolle: „Wir Leute vom Helferkreis konnten uns einfach nicht die Namen der Leute merken. Samira beispielsweise konnte ich mir nur mit der Eselsbrücke ‚die bayerische Afghanin‘ einprägen (Samira = des san mir a). Also beschlossen wir, natürlich mit Einverständnis, eine Karte mit Fotos und zugehörigen Namen anzufertigen. Auch der Familienvorstand, sprich ein Mann, war irgendwann dran, wobei es mir gelang, ihm ein Lächeln zu entlocken. Als er danach das Foto sah, wollte er das so nicht haben; er sah viel zu freundlich aus. Wir brauchten ein neues Foto. Jetzt ist er zufrieden, denn er wirkt würdig und ernst.“
Zwischenruf
- Deutsche sind oft unangemessen stolz auf die Früchte der Aufklärung in ihrem Land bzw. in Europa. Dabei wird oft vergessen, wie lange es gedauert hat, bis sich diese Errungenschaften etablieren konnten.
- Noch 1920 wurden Frauen verhaftet, die sich öffentlich im Bikini zeigten. 1946 war er an südlichen Badestränden noch verboten. Erst 1953 wurde er mit Marilyn Monroe und Brigitte Bardot populär.
- 1960 war es hier noch normal, dass ältere Frauen auf dem Land Kopftuch trugen und nur an Feiertage bunt waren. Ansonsten trugen sie schwarze und grauen Kleider.
- Der Minirock schaffte seinen Durchbruch erst 1965, nachdem die Vogue ihn 1962 vorgestellt hatte.
- Bis 1977 brauchte eine Frau in Deutschland die Erlaubnis ihres Mannes, um arbeiten zu dürfen.
- Das Stimmrecht für Frauen wurde in der Schweiz erst 1971 eingeführt.
- Die Vergewaltigung in der Ehe wurde in Deutschland erst 1997 als Tatbestand voll anerkannt. Davor durfte der Mann seine Frau ungestraft „hernehmen“
Frauen umarmen: vorerst undenkbar
Mit dem Rollenbild muss sich Roland jedes Mal auseinandersetzen, wenn er sich mit seiner Gruppe trifft. „Da muss ich mich jedes Mal bremsen. Wir haben ein so herzliches Verhältnis, dass ich gerne auch mal eine Frau zur Begrüßung in die Arme nehmen würde. Aber das ist undenkbar. Obwohl ich akzeptiert und respektiert bin, ist es mir unmöglich, eine Frau wie M. zu umarmen. Das widerspricht meinem Temperament völlig. Und doch hat sich in diesem halben Jahr zwischen Frauen und Männern viel verändert. Nimm S. Sie ist 17 Jahre alt. Weil ihre Eltern Analphabeten sind, muss sie die Bankgeschäfte der Familie übernehmen – an sich eine Männerrolle. Auch ihre Mutter M. hat sich in Deutschland eine neue Position erarbeitet. Sagt ihr Mann etwas, das ihr nicht passt, winkt sie einfach ab. In Afghanistan wäre das undenkbar gewesen. M. ist inzwischen von allen, auch den Männern, als ‚die Tante‘ anerkannt und bäckt für alle jeden Tag frisches Fladenbrot. Das, zusammen mit viel Reis, Gemüse, wenig Fleisch (meist Hühnchen, selten Lamm oder Rind), keine Wurst, kein Alkohol und kein Tabak, macht das Leben preiswert, so dass sie als Gruppe mit ihrem wenigen Geld doch immer wieder etwas übrig haben.“
Juristische Fallstricke
Was dann aber auch zu juristischen Problemen führen kann. Roland: „Im Sommer hatte ich mit ihnen eine schwierige Diskussion. Sie hatten sich zwei Schafe gekauft, aber nicht zum Streicheln, sonder um sich mal ordentlich mit Schaffleisch satt essen zu können. Davor waren die Tiere aber zu schlachten. Essen konnten sie das Fleisch aber nur, wenn die Schafe traditionell geschächtet wurden. Das aber ist hier verboten und gilt als Tierquälerei. Es dauerte ziemlich lange, bis sie das verstanden. Da ihnen ihre Kultur den Genuss von ungeschächtetem Schaffleisch verbietet, mussten sie schließlich die beiden Schafe wieder an einen Schäfer verkaufen.“
Wirklich ins Auge hätte die Geschichte von O. gehen können. Roland: „Er ist alleine geflüchtet und vermisst seine Frau und Kinder sehr. Sehr wissbegierig ist er von Anfang an mit einem Deutschbuch herumgelaufen und hat alle Menschen, die ihm begegneten, auf deutsche Wörter angesprochen. Auch mit Kindern auf dem Spielplatz hat er sich angefreundet und sie auch umarmt. Für ihn war das normal, für Deutsche weniger. Mit einem 11-jährigen Mädchen hat er per What’s App kommuniziert. Ihre Eltern waren ganz erschrocken, als sie davon erfuhren. Zum Glück kannten sie mich und ich konnte die Wogen glätten. Das hätte auch ganz anders ausgehen können, hat aber auch so manches Gespräch gebraucht.“
Schon mit 63 eine Respektsperson
Ein alt hergekommenes Rollenverständnis der Flüchtlinge fällt gerade älteren Menschen positiv auf. Roland: „Der Respekt vor dem Alter ist enorm. Zusammen mit einer kleinen Familie fuhren wir meine 90-jährige Tante in Heidingsfeld besuchen. Die junge, 25-jährige R. hatte die alte Frau kaum gesehen, als sie sie schon umarmte. Auch ich bin mit meinen 63 Jahren schon eine Respektsperson. 63 ist bei diesen Leuten ein Alter, vor dem man den Hut zieht. Ich brauche nur aufzutauchen, und schon wird mir ein Tee angeboten und immer werde ich zum Essen eingeladen. Wenn ich aufstehen will, um mein Geschirr wegzubringen, springt ein Sechzehnjähriger auf und sagt: ‚Ich tragen das für dich weg, Roland.‘ Mich zu korrigieren, fällt ihnen deshalb sehr schwer. So hat es Wochen gedauert, bis sie den Mut aufbrachten, mich auf einen kleinen Fehler beim Deutschunterricht hinzuweisen. Bestimmt Hunderte von Malen hatte ich eine Frau namens Maleka als Maleika angesprochen. Ihr Mann hat ihr dann oft etwas schmunzelnd ins Ohr geflüstert. Viel später kam er zu mir und meinte: „Roland, Maleika heißt bei uns ‚Engel‘, aber Maleka ist kein Engel.“
Wir sind Mitländer geworden
Roland: „Nach einem dreiviertel Jahr sind sie hier endlich angekommen. Die Angst vor verschneiten Bergpässen, bei denen ein falscher Schritt den sicheren Tod bedeutet, oder kleinen, schwankenden Booten ist Erinnerung geworden. Und diese angekommenen Menschen verändern sich. Vertrauen ist aufgebaut und Dinge werden selbstverständlich. Mancher klingelt bei mir und bittet ganz selbstverständlich um eine Kopie. Komme ich zu ihnen, bin ich nichts Besonderes mehr, sondern gehöre dazu. Das fühlt sich richtig gut an. Zwei Kulturen haben ein Stück zusammengefunden. Wir sind Mitländer geworden.“
Menschen, die es wagen, gegen den Widerstand des griechischen Staates die Insel Samos zu betreten, müssen mit mehrjährigen Gefängnisstrafen rechnen – sofern sie freundlicherweise nicht zuvor im Meer „zufällig“ ertrunken sind. Was zunächst wie der legitim hoheitliche Akt eines europäischen Staates anmutet, erweist sich bei näherer Betrachtung als Veitstanz der Gerechtigkeit.
Kann die Überschreitung einer Grenze Unrecht sein? Wird mit solcherlei Gesetzen nicht die Willkür zum Maß der Justiz und die Dummheit ihr Lehrer? Macht die juristische Strafbewehrung im Fall der Übertretung einer abstrakten Linie namens Grenze nicht Justitia zur beliebigen Hure eines jeden Möchtegern-Potentaten, auch wenn er sich „demokratischer Politiker“ oder Nationalstaat nennt? Haben Nationalstaaten ein Anrecht auf Beliebigkeit und Willkür?
Warum die Empörung?
Nun, nehmen wir an, ich wohnte im unterfränkischen Waldbüttelbrunn und wollte die von Julius Echter von Mespelbrunn erbaute gotische Kirche von Gaubüttelbrunn besuchen, so könnte ich die rund 19 Kilometer in, sagen wir einmal, vier Stunden gut bewältigen. Ich durchquerte Eisingen und Kleinrinderfeld und wanderte schließlich, Kirchheim hinter mir lassend, fröhlich singend meinem Ziel entgegen. Doch kurz vor Gaubüttelbrunn versperrt mir ein Schlagbaum den Weg, und auf meine Frage, warum ich nicht weitergehen könne, bescheidet mich ein Uniformierter, hier beginne das Hoheitsgebiet des neuen Warlords von Lauda-Königshofen, das ich nur gegen Vorzeigen eines Visums betreten dürfe.
Mein kurz aufflammender Zorn sinkt angesichts einer drohend auf meine Brust gerichteten Maschinenpistolenmündung in sich zusammen. Ich entschuldige mich untertänigst, freue mich, überlebt zu haben, und mache mich auf den Rückweg, um am Folgetag meinen Visumsantrag im Rathaus von Waldbüttelbrunn zu stellen. Dort erfahre ich, dass ich gegen vorherige Bereitstellung von 10.000 Euro innerhalb von zwei Monaten ein solches Dokument mit einer gewissen Aussicht auf Erfolg erwerben könne. Ich entschließe mich, dem Warlord von Lauda-Königshofen meine Reverenz nicht zu erweisen und eine weniger bewehrte Kirche zu besichtigen.
Oh Gesetz, du schlotterichte Königin! Verstehen Sie mich? Wären Sie nicht empört an meiner Stelle? Oder sollten es wenigstens sein!
Wurden solche Grenzlinien nicht allesamt (oder doch beinahe alle) in Gewaltprozessen ausgehandelt? Sind sie nicht letzten Endes allesamt (oder doch beinahe alle) die Ergebnisse von Willkür in juristischem Gewand, also letztlich von einer einstigen Rechtsbeugung, die durch Gewaltprozesse Legitimität erhielt? Ja, sind Grenzen wie die erdachte zwischen Kirchheim und Gaubüttelbrunn oder die ebenfalls nur erdachte, aber existierende zwischen der offenen See der Ägäis und der Insel Samos nicht allesamt Beweisstücke real existierenden Unrechts?
Und richtig gefolgert: Gilt dies nicht letztlich für alle nationalstaatlichen Grenzen Europas und der Welt? Sie unterscheiden sich durch nichts von den Grenzen eines von einem Vierjährigen eifersüchtig bewachten Sandkastens im Garten seiner Eltern – außer durch die Machtmöglichkeiten ihrer Verteidigung. Aber schafft meine Möglichkeit, Sie zu erschießen, weil Sie in meinem Sandkasten spielen möchten, bereits Unrecht auf Ihrer Seite und auf der meinen Recht? Legitimität gar? Von Seriosität einmal ganz zu schweigen?
Verschärft muss meine Frage also lauten: Nicht kann, sondern darf die Überschreitung einer Grenze in einem Rechtsstaat, der dieses Namens würdig ist, jemals Unrecht sein? Oder anders herum: Ist die Würde des Menschen durch nationalstaatliche Grenzen eben doch antastbar, grundsätzlich? Oder noch einmal anderes herum gefragt: Wiegt die theoretische Linie einer Grenze mehr als eine beliebige Anzahl von Menschenleben?
Von Bobby Langer
Ein (an einigen Stellen) ausgesprochen ernsthafter Text über die Unmoral von Männern und Frauen
Es ist die Sache freigeistiger, vorzugsweise männlicher, der Sinnlichkeit abholder Theoretiker, sich über Moral oder Unmoral zu ereifern oder zu empören, je nachdem. In vom Hölzchen zum Stöckchen führenden Debatten im Internet und auf jeder anderen Platt(!)form blühen Wahrheit bzw. Wahrheiten aus, die vor allem dem einen Zweck genügen: die Klugheit ihrer Autorinnen ins rechte öffentliche Licht zu stellen.
Fern aller Theorie stellt sich mir die praktische Frage: Was ist eigentlich moralisch bzw. das Gegenteil? Ich möchte die Gelegenheit nutzen – denn in Sachen Unmoral bin ich Meister –, geradewegs in die Maische des Unsittlichen einzutauchen, um daraus Höhepunkte der Unmoral zu destillieren – aus analytischen Gründen säuberlich nach männlicher und weiblicher Fehlbarkeit und Verfehlung getrennt; denn selbstverständlich gilt so manches, wenn nicht gar alles, vice versa.
Die männliche Unmoral
Lassen Sie mich, der Spannung halber, mit den größtmöglichen, typisch männlichen Immoralitäten beginnen, auf dass sich die weiblichen daran messen mögen. Beginnen wir also mit kleinen „Schnitzern“ des Mannseins, etwa dem Öffnen einer Tür für eine Frau, ein Fräulein (darf das Wort ausgesprochen werden, ohne augenblicklich bei Ihnen eine moralische Empörung auszulösen?), ein Mädchen oder ein Kind aus dem Impuls des Respekts heraus und nicht etwa aus lässiger Überlegenheit. Während letztere „unter Männern“ durchaus noch mit einem anerkennenden Lächeln quittiert würde, übersteigt ersteres den Horizont der meisten meiner Geschlechtsgenossen. Wer solches tut, ist von gestern oder gar vorgestern; wobei viele Frauen dem bereits zustimmen würden.
Schlimmer schon dünkt dem normierten Mann einer, der am Stammtisch, ohne ersichtliche Merkmale von Trunkenheit, bekennt, seine Frau – oder, um das patriarchalische Kraut fett zu machen, seine Freundin – könne besser Auto fahren, gar einparken, als er. Im besten Fall würde ein solches Bekenntnis als gelungene Ironie mit einem „Heute bist du aber besonders witzig“ und einem verbrüdernden Schulterklopfen verbucht.
„Schluss mit lustig“ wäre hingegen im Falle des gegenüber anderen Männern geäußerten Wunschs, man würde einen feingeistigen Leseabend mit seiner Partnerin einem Fußball-WM-Public-Viewing unter Kumpels vorziehen. Damit würde sich Mann aus dem Rahmen des Normalen – und folglich moralisch Richtigen – ausklinken. Denn besagte Begründung entzöge sich dem Verständnishorizont der männlichen Zuhörerschaft ähnlich wie die Bereitschaft einer männlichen Spinne, sich von ihrer weiblichen Gattin verspeisen zu lassen.
Irgendwo müsse auch einmal Schluss sein, käme die scheinrationale Begründung der Schöpfungsherren. „Bist du einer von uns oder gehörst du zur anderen Seite?“ Tatsächlich macht sich jemand, vorzugsweise ein Mann, der eine geistige Betätigung einer geistlosen vorzieht, durchaus verdächtig, nicht dazuzugehören.
Dazuzugehören wozu? Die Antwort fällt schwer. Zur Kameradschaft, Brüderschaft, Rotte, Gang, zum Club oder Verein, zur Volksgemeinschaft? In jedem Fall zu einer Gruppe bzw. einem Trupp, der sich einer höheren Sache verpflichtet fühlt, der Zusammengehörigkeit „von uns Männern“ etwa oder dem (von irgendjemand so ausgerufenen) Volkswohl. Hingegen verströmt selbstverantwortlich denken zu wollen, ja sich ein solches Selbstdenken zuzutrauen, den Geruch von Überheblichkeit, von „ich bin keiner von euch“ – und hätte damit den Ausschluss verdient.
Die weibliche Unmoral
Wie aber gestaltet sich exzessive weibliche Unmoral? Schon meine Kühnheit, als Mann ein solches Thema auch nur anzufassen, wird manchen MoralistInnen als übergriffig erscheinen. Sei’s drum. Für den Fall, dass sich männliche Leser bis zu dieser Zeile verirrt haben sollten: Ich muss sie enttäuschen. Hier wird weder von lasterhaften Entblößungen die Rede sein noch von männermordenden Polygamistinnen. Warum nicht? Weil sie allesamt lüsterne Ausgeburten der oben beschriebenen „Gattung Mann“ sind. Aber lassen Sie mich, liebe Leserinnen, auch hier mit kleinen, scheinbar harmlosen Abzweigen vom vorgeschriebenen Pfad typisch weiblicher Tugend beginnen. Mit Frauen nämlich, die nicht nur ihre Geschlechtsmerkmale nicht betonen, sondern denen eine solche Zurschaustellung schlichtweg egal ist; oder von solchen, die dem „männlichen“ Blick dergestalt begegnen, dass „ihm“ in wenigen Sekunden der Kamm abschwillt. Frauen, an denen männliches Imponiergehabe abprallt wie eine Hornisse an einer Fensterscheibe, werden von vielen meiner Geschlechtsgenossen als äußerst demütigend empfunden.
Bereits solche kleinen, aber wirksamen Gesten weiblicher Souveränität – und folglich Unmoral – sind geeignet, Frauen an die Ränder akzeptierter Weiblichkeit zu stellen. Immerhin wenden sie sich nicht ab vom „Mann“, behalten ihn noch im Blick, müssen also nicht komplett ausgesondert, können noch geduldet werden. Wie aber, wenn sie sich nicht mehr für „ihn“ und sein „Ding“ interessieren? Wenn sie vor „ihm“ weder innerlich noch äußerlich in die Grätsche gehen; wenn sie – außerhalb lustvollen Beisammenseins – Männer nicht wie Männchen, sondern wie Menschen behandeln?
Getoppt wird dies nur noch von einer weiblichen Unmoral, die sich jenseits der ihr von Männern zugedachten biologischen Rolle geriert. Das begann und beginnt noch immer im lustvollen Kontext von genießerisch beobachteten lesbischen Frauen. Denn sie, so denkt das testosterongeschwängerte Hominidengehirn, tun nur so als ob. Bei anderen Frauen holen sie sich nur den Appetit, wollen es aber letztlich doch mit einem Mann bzw. dem ihm angewachsenen „Ding“ treiben. Wie schockierend wäre hier die Erfahrung bzw. Einsicht, dass es Frauen gibt, die, über das „Ding“ hinausgewachsen, Männer ganz einfach nicht mehr brauchen. Frauen, die sich nicht nur der Liebesdienerin, sondern der Mutterrolle verweigern, sowohl physisch wie auch psychisch; Frauen, die zugleich Liebende, Geliebte und Mütter sind, ohne je geboren haben zu müssen; die ihre Männer nicht mehr als Mamas in den Arm nehmen wollen. Zweifellos den Höhepunkt (!) der Unmoral bilden Frauen, die auf die Männer pfeifen und sich ihre Höhepunkte holen, wo sie wollen, bei Männern und bei Frauen. Oder, schlimmer als schlimm, gar auf die Höhepunkte pfeifen? Mönchinnen sozusagen.
Tröstlich scheint mir nur dies: Aus dem scheinbaren Widerspruch und Kampf der Geschlechter schält sich ein Gedanke heraus. Könnte es nicht gelingen, dass sich die Unmoralischsten eines Geschlechts mit den Unmoralischsten des anderen zusammentun und eine dritte Gattung, eine Zukunftsgattung der Menschheit, formen? Der Gedanke, das muss ich zugeben, lässt mich versöhnlicher in die Zukunft schauen, als ich dies zu Beginn dieses Textes vermutet habe.
Bobby Langer