Meditation ist unter anderem eine Methode, um seinen Blick nach innen zu richten. Deshalb meinen die meisten Menschen, man müsse beim Meditieren die Augen schließen, dann würde man die Richtung quasi nicht verfehlen können.

Das Gegenteil ist meistens der Fall, denn es gibt im Leben zwei Kernsituationen, in denen wir die Augen schließen: Wenn wir etwas nicht sehen wollen und wenn wir schlafen wollen. Mit geschlossenen Augen begeben wir uns gewohnheitsmäßig in eine Art Schlafhaltung. Selbst wenn wir gar nicht müde sind, werden wir ein bisschen schläfrig; auf jeden Fall tendieren unsere Gedanken zur freien Assoziation, Erinnerungen, Pläne, Hoffnungen, Befürchtungen, Bilder gaukeln durchs Gehirn und die Affen im Kopf übernehmen die Kontrolle – wie immer. Mit Meditation hat das nichts zu tun.

Dieser Gefahr entgeht man, solange die Augen geöffnet bleiben. Geschlossene Augen sind allenfalls sinnvoll, um für ein paar Minuten in einen Zustand der Ruhe bzw. Sammlung zu kommen, danach sollten die Augen wieder geöffnet werden. Wie weit, das ist Geschmackssache und auch eine Frage der Wachheit. Als Faustregel gilt: Je müder man ist, desto weiter öffnet man seine Augen. Üblicherweise sind die Augen halb geschlossen. Manche buddhistischen Meditationsanleitungen empfehlen, seinen Blick etwa 1,5 m vor sich auf den Boden zu richten. Warum nicht, zu ergänzen wäre allenfalls: Und da sollte der Blick auch bleiben. Herumschauen ist kontraproduktiv.

Aber, so wird manche/r einwenden, wie kann ich denn mit geschlossenen Augen meinen Blick nach innen richten? Dazu gibt es zweierlei zu sagen:

Einerseits kann man nach außen schauen und nach innen spüren, langsam, geduldig und aufmerksam den eigenen Gefühls- und Mentalzustand wahrnehmen. Der kleine Umweg über die Atembetrachtung kann dabei sehr hilfreich sein; man kann natürlich auch beim Atem alleine bleiben, aber auch bei der Körperwahrnehmung etc.
Andererseits muss man beim Meditieren seinen Blick gar nicht nach innen richten; man kann auch die Welt mit all ihren Dingen auf sich wirken lassen und dabei zuschauen mit einem quasi wissenschaftlichen Zeugenblick. Der Blick nach außen ermöglicht mit einer gewissen Meditationserfahrung auch die Schau einer Wirklichkeitsebene hinter bzw. hinter den Dingen, einer Ebene, die sich auf geheimnisvolle Weise mit einer Ebene in einem selbst verknüpft – und plötzlich hat man beides, den Blick nach außen und den Blick nach innen.

So betrachtet versteht man vielleicht leichter, weshalb man auch in einer vollen Bahnhofshalle oder im Supermarkt meditieren kann. Meditation hat nichts mit Rückzug zu tun, sie fällt einem in der Stille nur leichter.