2. Dezember
In der Morgendämmerung trete ich vor die Tür: Ringsum zwitschern die Vögel ein Willkommen. Klingt froh und heiter.
Meine Gesundheit lässt offenbar noch zu wünschen übrig. Mir war so kalt in meinem Zimmer, dass ich mich zum Aufwärmen unter die Bettdecke gelegt und geschlummert habe. Jetzt (09:39 Uhr) geht’s wieder. Draußen hat’s 12 °C, mittags geht’s wieder auf 19 °C. Da freu ich mich schon drauf.
3. Dezember
Gestern hatten wir ab späten Nachmittag den Pelletofen im Wohnzimmer an, so dass es auch in meinem Zimmer gleich nebenan mit offener Tür angenehm überschlagen war.
Heute habe ich aus gestern gelernt. Ich sitze mit dicker Wolljacke und Schal, eingehüllt in eine hellbraune Decke wohlig warm am Rechner und beginne, neben mir eine Tasse heißes Wasser, mit meiner Tagesarbeit.
So allmählich beginnt sich nämlich ein Tagesrhythmus zu entwickeln. Heute früh wurde mir klar, dass ich mich vom neutral-sachlichen Tun (Datenbankarbeit, mein täglich Brot) hin zum Sachbuch, dann zur Belletristik und schließlich zum eigenen Schreiben bewege. Klingt für mich wie eine logische Steigerung.
Ist es auch, aber ich habe zwei „Sachen“ vergessen: erstens die vermaledeiten E-Mails, die mich täglich stalken, und zweitens das schöne Spanisch, um das ich mich gerne herumwinde. Aber das gestatte ich mir nicht.
Nachmittags wollte ich eigentlich zu schreiben beginnen, aber einerseits ist da die unermüdliche Erkältung, die mir in die kreativen Arme fällt, andererseits verlockt mich „Giovannis Zimmer“ von James Baldwin. Dieser Verlockung gebe ich nach und tue etwas, was ich in Würzburg nie tun würde. Ich setze mich auf die Terrasse in die wärmende Sonne, lese und lese und stille meinen Hunger mit einem halben Beutel gesalzener Erdnüsse. Und zu meiner Überraschung gibt mir der Roman auf seinen letzten Seiten doch noch eine wunderbare Inspiration für mein eigenes Schreiben.
Ich zaudere, unter die Dusche zu gehen, denn im Bad ist es kühl. Bestimmt dreimal mach ich den Ansatz, lass es wieder bleibe. Oh mei!!! Jetzt aber. Ich dusche so heiß wie möglich, tut gut und hat mir scheinbar auch nicht geschadet.
Nachher werde ich mit Frau Olive nach Campos (7 km) zum Einkaufen fahren, und zwar nicht irgendwohin, sondern zu Aldi. Wer hätte je gedacht, dass ich mich einmal auf Aldi freuen würde. Aber dort gibt es deutsches Brot und meine Weihnachtsleidenschaften: Lebkuchen und vor allem Marzipan. Außerdem muss ich unbedingt verschiedene Tees besorgen, die hier völlig fehlen und so ne Art Tee-Vakuum in mir erzeugen, das dringend gefüllt sein will.
Es war ein voller Erfolg, na ja, halbvoll, weil ich weder Marzipan noch Lebkuchen bekommen habe, aber etwas Marzipanähnliches. Und Spekulatius. Aber viel besser: frischen Inger, so dass jetzt, in einer ebenfalls frisch erworbenen Teekanne (die es hier in der Wohnung auch nicht gab), ein heißer Ingwertee steht, dazu Biohonig von Aldi. Ziemlich paradiesisch. Die Teekanne hab ich mit einem Handtuch abgedeckt, damit sie nicht so schnell auskühlt. Nicht hübsch, aber besser als nichts.
4. Dezember
Um endlich meine Erkältung loszuwerden, hab ich heute ohne Wecker geschlafen und bin nach reichlichen acht Stunden um 7:02 Uhr aufgewacht. Hoffentlich nützt’s was.
Not macht erfinderisch. Ich habe den super Teewärmer erfunden. Ich stelle die Kanne einfach unter die Bettdecke!
Nachmittags der erste größere Spaziergang durchs Viertel, hat sich – trotz viel Wind – angefühlt, als würde ich das Verpuppungsstadium des Ankommens endlich loswerden. Unterwegs kam mir die Frage, ob ich nicht die Blätter der hier überall herumstehenden wilden Olivenbäume fürTee nutzen könnte. Man kann.
21:41 Uhr: Ich habe ungefähr vier Stunden am Stück geschrieben, wunderbar. Aber jetzt geht nichts mehr. Heute Morgen habe ich mit der Lektüre von „Die Brüder Karamasow“ von Dostojewskij begonnen. Ich hatte gar nicht mit so viel Ironie gerechnet, und das schon auf den ersten Seiten. Gefällt mir sehr. Vorhin, als ich mir nach dem Zähneputzen die Nase geputzt habe, fiel mir auf, dass ich mich mindestens zwei Stunden oder länger nicht geschnäuzt hatte. Sonst dürfte der Tageschnitt bei 50 mal gelegen haben. Es geht also deutlich aufwärts. Momentan hat’s draußen 8°C, aber zum Glück haben wir den Pelletofen nebenan im Wohnzimmer, den wir abends immer anwerfen. So, jetzt ab ins Bett und noch ein paar Seiten Dostojewskij.
5. Dezember
Nochmals bis kurz nach 7 Uhr gepennt. Fühlte mich köstlich ausgeschlafen.
Heute Morgen hatte ich eine Idee, für die ich mich mangels Publikums selber loben musste. Draußen war um 10 Uhr herrliche, ziemlich warme Sonne, drinnen wie üblich kühl. Aber nach draußen setzen hätte auch nichts gebracht, weil unsere Terrasse (zur Straße hin) nach Westen zeigt, also noch voll im Schatten lag. Also habe ich ein kleines Tischchen geschnappt und einen Klappstuhl und hab das Mobiliar auf die andere Straßenseite auf den Bürgersteig gestellt, der voll in der Sonne lag. Dann hab ich mir mein Frühstück gemacht – heute mal kein Müsli –, dazu einen Kaffee und Günther Anders (und nach de Frühstück noch Dostojewskij) und hab da drüben getafelt. Bald war mir so warm, dass ich nur noch im T-Shirt dasaß. Drei junge Männer, vermutlich Nordafrikaner und seeehr cool, die vorbei kamen, fanden das offenbar cool und haben mir zugewinkt. Hab cool zurückgewinkt.
Später dann ausgedehnter, bummeliger Strandspaziergang in der prallen Sonne mit viiiiel Meer. Erreichte schließlich eine von einem Deutschen betriebene Bar Esperanza (Bar zur Hoffnung), wo man hervorragend essen kann, wie mir zwei Deutschen versicherten. Also hab ich ein Ländliches Hühner-Gemüse-Curry bestellt (Curry Pollo Rustico). War wirklich gut. Und der Vino Tinto de Casa war auch fein, nicht wirklich ein Hauswein, sondern um Klassen besser. Hab die Broschüre Nakba 2.0 halb gelesen. Der Rückweg war ganz und gar kein Bummel, sondern sehr energetisch, als ob mich etwas triebe (aber ohne mich getrieben zu fühlen, merkwürdig).
Vielleicht hab ich insgeheim gespürt, dass Arbeit auf mich wartet. Werner hatte wohl seine „Literatur zur Abendstunde“ (eine Veranstaltung im Laden mit Buchempfehlungen) verpennt und hat jetzt auf die Schnelle ca. 15 neue Bände eingestellt, die Arwén und ich so schnell wie möglich verwursten sollen. Der Abend ist gerettet. Kleiner Genuss nebenbei: Hab eben frischen Ingwer gerieben, gleich schenk ich mir die erste Tasse heißes Ingwerwasser ein, und der Honig dazu steht auch schon bereit.
na, ist doch ein sehr guter Anfang, finde ich. Übrigens Lidel gibt’s auch und ist besser. Danke für die schönen Darstellungen. Möge es so weiter gehen.⛩️