26. Januar 2025
Interessant und auch ein wenig verblüffend: „Palma ist eine Dienstleistungsstadt. Dominierende Wirtschaftszweige sind Tourismus, Handel (Vermarktung der lokalen Agrarprodukte), Verwaltung und Verkehr (Hafen und Flughafen). Seit den 1970er Jahren dürfen sich auf dem Gebiet der Gemeinde Palma keine Industriebetriebe mehr ansiedeln, weshalb diese in die Gemeinden des nordöstlichen Hinterlandes abwanderten.“ (Wikipedia)
Heute habe ich mich gefragt, ob ich mir mit meinen zwei Mitbewohnern eine weiter bestehende Verbindung über den Januar hinaus wünsche – und bin zu dem Schluss gekommen, dass ich nichts in dieser Richtung unternehmen werde. Warum nicht? Sie sind doch nett und freundlich. So ist es, aber eben auch nicht mehr. Obwohl beide noch keine dreißig sind, geht ihnen jedes jugendliche Feuer ab. Im Vergleich zu ihnen war mein Großvater mütterlicherseits, ein altgedienter oberschlesischer Rektor, ein leidenschaftlicher Mensch. Sie sind wie 50 Zentimeter große Zimmerpflanzen, von denen man weiß, dass sie in den Tropen zu Bäumen werden.
28. Januar 2025
Was ich in Deutschland am meisten vermissen werde, ist die Nähe des Meeres. Immer wenn es vor mir liegt, packt es mich mit seiner Wucht, so dass mir das Land wie eine Zuflucht erscheint, ich mir winzig, aber umso lebendiger und menschlicher vorkomme angesichts der unfassbaren, unvorstellbaren Gewalt dieser sich ins Endlose dehnenden Wassermassen, ein Kontakt mit der Ewigkeit.
Am 26. habe ich mich, statt vormittags zu einem großen Flohmarkt zu gehen, nachmittags mit Annegret in Palma getroffen. An sich hatte ich wegen meines Fußes noch warten wollen, aber dieser Tag würde der schönste der mir verbleibenden Tage sein, also dann eben doch. Erst fuhren wir zur Festung hoch über der Stadt, die deshalb auch den Namen Castell de Bellver trägt – Festung zum schönen Ausblick. Wäre ich nicht wieder mal meinen Denkmustern aufgesessen, dann wären wir schon früher hingefahren. Aber dass so eine Sehenswürdigkeit am Sonntag um 15 Uhr die Pforten dicht macht, tja, schön für die Angestellten. So sind wir außen rumgelaufen – ganz langsam und fußschonend –, sind auf der Suche nach nem Klo auf ein Café gestoßen und haben da gleich mal nen Kaffee getrunken und ich hab ne Ensaimada probiert, ein traditionelles Gebäck auf Mallorca, eine knusprige, ungefüllte Hefeschnecke, die noch angewärmt wurde. Sehr schmackhaft. Am Nebentisch saßen drei junge Französinnen, die so herrlich Französisch gezwitschert haben, dass wir beide vom Klang begeistert waren.
Zweite Station war das nach römischem Kollosseum-Vorbild 1929 gebaute Coliseo Balear, ein mords Ding, das mitten in der Stadt steht, ursprünglich mal eine Stierkampfarena war, dafür aber kaum mehr genutzt wird. Da passen 11.620 Zuschauer rein.
So allmählich näherte sich der Abend und damit war’s Zeit für die Altstadtgassen von Palma in der Nähe des Hafens. Die haben wir dann auch ausgiebig erkundet – schon praktisch, wenn man jemanden dabei hat, der sich auskennt. Trotz des Wahnsinns-Tourismus wirkt das alles noch sehr echt – mal abgesehen davon, dass es Unmengen von Cafés und Restaurants gibt, von denen aber gut die Hälfte geschlossen war. Auch hier hat sich der Winter wieder mal als die perfekte Jahreszeit für einen Besuch erwiesen. Annegret meinte, ab Mai schieben sich hier die Menschenmassen durch. Jetzt waren pro Gasse mit uns, wenn‘s voll wurde, vielleicht noch 20 Menschen zugegen. Angesichts der vielen Kneipen und Restaurants blieb der Hunger nicht aus. Wir haben uns nen hübschen Italiener ausgesucht, wo ich eine Pizza cuatro quesos verputzt habe, dazu ein Glas Biowein, rot versteht sich. Anschließend gab’s noch eine Crema Catalana, was bei uns Crème brulée heißt. Annegret meinte, wir könnte jetzt noch ein wenig durch die nächtlichen Gassen schlendern, ich hätte dazu auch Lust gehabt, aber mein Fuß war anderer Ansicht.
Gestern früh bin ich dann mit schlechtem Gewissen meinem Fuß gegenüber aufgewacht, aber er hatte den Stress ganz gut verschmerzt. Heute gehe ich schon einige Schritte durch die Wohnung, die ziemlich normal aussehen.
Die Mandelblüte beginnt Ende Januar. Hab vorhin mal nachgeschaut, wo’s hier in der Nähe schon blühende Mandelbäume geben könnte; ist gar nicht weit weg, aber ich verschieb’s noch um zwei Tage. Dann stehen die Chancen besser und es ist auch nicht so stürmisch wie heute.
29. Januar 2025
Wenn man einen Apfel in fünf Teile zerschneidet, das gibt ziemlich große Stücke. Ein einziges dieser Stück kann einen ganz kleinen Hunger stillen und doch bleibt noch ziemlich viel Apfel übrig. Wenn man nun den Apfel nur in vier, drei oder zwei Teile zerschnitte, dann würde das Hunger stillende Teil immer größer werden und die restlichen Teile auch. Vielleicht ist das ja so mit den mir noch verbleibenden Tagen. Heute verzehre ich den ersten der fünf Teile.
Heute Morgen mache ich die Neigung zur Pflicht und beginne mit dem Milena-Projekt. Mal sehen, was das mit mir macht.
Es hat mich auf jeden Fall viel wacher gehalten, also entweder weniger angestrengt oder mehr begeistert als meine Datenbankarbeit. Ich vermute mal letzteres. Hab mühelos von kurz nach sechs bis halb zwölf durchgehalten. Sehr erfreulich. Und es ging gut. Vielleicht ein Durchbruch. Hoffentlich.
Heute Abend mir zum Glück noch die Mühe gemacht, über die Mails zu schauen und die Last-Minute-Reaktion von Daniel Christian Wahl entdeckt (ich hatte ihn schon im Dezember um einen Termin gebeten). Vermutlich werde ich Freitagmittag bei ihm sein. Auf Ökoligenta ist er ziemlich stark vertreten unter https://www.ökoligenta.de/blog42/denkerinnen-fuer-den-grossen-wandel.
30. Januar 2025
7:20 Uhr: Mit dem Gehen funktioniert es schon fast wieder normal, jedenfalls wenn ich langsam gehe, aber der Knöchel tut im Ruhezustand nach wie vor weh. Das hat mich jetzt genügend genervt, dass ich ne Aspirin geschluckt habe. Verdünnt ha auch das Blut, vielleicht nützt das auch was bei der Heilung.
Frau Olives Hündchen ist jedes Mal ein Morgen-Freuden-Bringer. So gegen halb neun kommt sie mit ihm die Treppe runter zum Gassi-Gehen. Darauf freut er sich dermaßen überschwänglich, dass seine Freudenwellen durch den ganzen Raum strahlen. Er wackelt nicht nur begeistert mit dem Schwanz – so ca. dreimal pro Sekunde –, sondern dreht sich um sich selbst, der reinste Freudentanz, und niest mindestens fünfmal. Dieses Geschenk gibt’s nicht nur einmal täglich, sondern mindestens dreimal.
Ständig lese ich irgendwo, auf Mallorca habe die Mandelblüte begonnen. Aber ich habe noch keine einzige gesehen; dabei liebe ich blühende Bäume, sie sind eine Art Seelenfest (wenn die beiden Kirschbäume in Würzburg vor unserem Haus blühen, vergeht kaum ein Tag, an dem ich nicht am Fenster stehe und blütenbade). Ich recherchiere auf Mallorcaseiten, wo in meiner Umgebung die größte Chance auf Erfolg besteht und fahre los. In der Umgebung von Cala Pi, hieß es. Fein, das ist ziemlich um die Ecke.
Nachdem jetzt mein inneres Mandelblüten-Auge weit offensteht, entdecke ich doch schon nach ein paar Kilometern links am Straßenrand drei Mandelbäume mit etlichen Blüten. Ich scheine also auf dem richtigen Weg zu sein. Links geht ein kleines Sträßchen nach Cala Pi ab, das aber auch nach rechts in die Pampa führt. Na, denk ich mir, optimierst du deine Chancen und fährst erst mal ein Stück nach rechts. Ich komme zwar an Mandelbaum-Anlagen vorbei, aber da ist nicht EINE Blüte. Vielleicht ist die menschliche Freude (und die der Bienen) über die Mandelblüte so groß, weil Mandelbäume an sich alles andere als ansehnliche Gewächse sind. In aller Regel stehen sie als dunkelgraubraune, bizarre Gerippe in der Landschaft herum, jeder Baum ein Memento Mori. An so einem Gewächs erscheint einem jede Blüte als Geschenk (was es ja auch ist. Angeregt durch mein Schreiben schnapp ich mir meine Mandel-Türe und nasche ein paar Mandeln).
Mein Sträßchen (diese Ministraßen allüberall sind etwas Wunderbares) führt an einem breiten, steinigen Feldweg vorüber, aus dem ein kleines Auto herausfährt, dessen Insassen mit neugierig beäugen: „Was ist das denn für einer!?“ Vielleicht fahr ich da mal rein? Mach ich auch, aber der Untergrund ist doch sehr holperig und wird nicht besser. Jetzt noch ein Schaden an der Bodenwanne – das wär doch die Idee. Also fahr ich die hundert Meter wieder rückwärts, parke meinen weißen Opel, schnapp mir die Kamera und geh zu Fuß (sehr vorsichtig, denn hier könnte ich locker wieder umknicken). Der Weg gabelt sich spitz, ich halte mich rechts. Weitere hundert Meter und immer Blütenwüste. Stattdessen rechts eine alte, verlassene Finca, die auf neue Eigentümer wartet. Ich fahre noch ein, zwei Kilometer, nada. Ningun almendro en ninguna parte! Sakra. Also zurück und nach Cala Pi. Ich mach’s kurz: Wieder nix, nur herrliche Villen von reichen Leuten.
Dann knöpf ich mir eben das zweite Ziel vor: Santuari de la Consolacio, eine alte Kapelle ein Stück hinter Santanyi in den Hügeln. Immerhin entdecke ich auf dem Weg dorthin ein paar schon ganz hübsch blühende Bäumchen, es war also nicht umsonst. Beharrlichkeit siegt! Der Weg zur Kapelle ist traumhaft. Teilweise sind die Straßen so eng, dass ich froh über meinen kleinen Opel bin. Der passt da gut durch. Ab und an kommt mal ein Auto entgegen; dann lass ich mein Fenster runter und klappe den Seitenspiegel ein, damit der heil bleibt, während wir uns hautnah aneinander vorbeiquetschen. Aber so schön der Weg, so blütenleer. Hm. Ich stell das Auto ab und krabble (vooorsichtig) den Hügel hoch zur Kapellenruine. Dabei stoße ich auf eine kleine Teerstraße (wo kommt die denn her?!) und entdecke, dass die Ruine keine Ruine ist, sondern ein wunderschön die alten Strukturen nutzendes Haus mit breitem, offen stehendem Innenhof.
Tja, das war mein Mandelblüten-Scouting. Ein mageres Ergebnis. Auf dem Heimweg, es ist jetzt ca. fünf, halb sechs Uhr nachmittags, erinnere ich mich an das Gran Restaurant Es Mollet de s’Estanyol ein, wo ich schon ewig mal essen gehen wollte. Es liegt an einem kleinen Yachthafen, ca zwei Kilometer Sa Rapita entfernt. Gleichzeitig fällt mir ein, dass zu Hause ja noch genug zu essen auf mich wartet. Aber das ist wohl eher ein Geiz-Impuls. Was ich nicht aufesse, können ja meine Mitbewohner verspeisen. Also gut, die Entscheidung ist gefallen. Ich geh essen. Ich mache kurz bei mir Halt, schnappe mir den Georges Bataille zum Lesen und betrete dann mit meinem dicken roten Buch das Restaurant. Sie haben vor kurzem aufgemacht, an einem Tisch links im Eck sitzen zwei Frauen, die lautstark deutsch miteinander schnattern. Ich spreche sie gleich mal an: „Sie wirken wie Stammkundinnen. Was können Sie empfehlen?“ „Alles!“, sagt die eine, die offenbar hier legt, die andere ist bei ihr zu Besuch, „aber der Fisch ist sensationell!“ Das kann ich nur unterstreichen. Ich bestelle den Fisch des Tages und bin schon nach wenigen Bissen überzeugt, selten so gut zubereiteten Fisch gegessen zu haben. Er ist in einer rotbraunen Terrine angerichtet und von einer köstlichen Mischgemüsekruste bedeckt und umgeben, offenbar im Ofen gebacken (hat auch fast ne halbe Stunde gedauert). Enorm. Eine gute Wahl. Ich gratuliere mir (und den Damen). Bis ich zu Hause bin, ist’s fast neun Uhr. Arbeitsfähig bin ich jetzt nicht mehr.
Heute bin ich auf einen passenden Reisetipp (für die Badesaison, hier um die Ecke) gestoßen, den ich nur bestätigen kann: https://www.180gradsalon.de/2018/06/mallorca-strandbar-tipp-bar-esperanza-am-traumstrand-es-trenc.html.
31. Januar 2025
So gibt’s doch wieder etwas zu berichten. Eigentlich hatte ich vorgehabt, heute in Museum für moderne Kunst nach Palma zu fahren, aber nun gibt’s eine für mich sehr viel wichtigere Alternative:
An sich hatte ich meine Anfrage an Daniel Christian Wahl, der auf Mallorca wohnt, schon im Dezember gerichtet. Vor drei Tagen kam die Antwort, und heute treffen wir uns – last minute. Das freut mich sehr, denn Daniel ist m.E. einer der wichtigsten Denker für die Transformation unserer Zivilisation hin zu einer mitwelt- und zukunftsfreundlichen. Wir haben zwar nur wenig Zeit (er ist super beschäftigt und vielfach angefragt), aber immerhin rund 1,5 Stunden zu zweit. Jetzt muss ich mich noch ein wenig vorbereiten, damit ich dann nicht sprachlos herumsitze. Reichlich Infos zu seinem wichtigen Buch findet ihr hier: Regenerative Kulturen gestalten. Bin gespannt wie ein Flitzebogen.
17.10. Uhr: Wieder da und an die Arbeit!
Aber vorher noch eine kleine Auswertung. Er wohnt nordwestlich von Palma und in einer schönen, hügeligen Gegend mit nem großen Grundstück und eigenen Hühnern. Auf dem Weg dahin durchs Hinterland komme ich an einer ganzen Reihe herrlich blühender Mandelbäume vorbei, so schön, dass ich in meinem Auto laut werde vor Begeisterung. Da hätte ich mir die gestrige Fahrt sparen können.
Gleich zu Beginn haben wir einen großen Rundgang gemacht durchs 5000-qm-Gelände gemacht. Gefällt mir gut. Eine wunderbare Bleibe – inklusive zweier blühender Mandelbäume! Ich würde mal sagen, wir haben uns sehr gut verstanden, so gut, dass ich gerne noch mehr Öffentlichkeitsarbeit für sein Buch machen möchte. Und dass er – wie ich – einen sehr intensiven Draht zu Schottland hat, hat unseren Kontakt zusätzlich befördert. Er ist mit einer liebenswürdigen Engländerin zusammen, schon ganz lange (26 Jahre) und untypisch (heute trennt man sich doch bei Schwierigkeiten, oder dreht sich der Trend inzwischen um?). Sie hat für uns ein prima vegetarisches Essen gekocht: Afghan Bean Curry.
Mal sehen, ob ich nicht doch zuerst ein kleines Schläfchen brauche. Der Ofen jedenfalls faucht schon hinter mir, so dass dem gemütlichen Arbeiten nichts mehr im Weg steht, es sei denn der fehlende Tee. Kommt noch. – Hab doch keins gebraucht.
1. Februar 2025
Heute Morgen hab ich mich gelobt: Vor meinem Abflug hatte ich alle notwendigen Fluggesellschafts- etc. -daten hinterlegt, so dass heute Morgen der Ist-Alles-Klar?-Check schnell und reibungslos ging. Fliegen ist mir von den Prozessen her einfach so fremd, dass ich mich immer unsicher fühle, bis ich eingecheckt habe; ungefähr so, als hätte ich in einem Aufzug das Gefühl, die Stricke der Fahrstuhlkabine könnten reißen und aufatme, wenn ich unten oder oben bin. Wenn ich mal im Flieger sitze, ist alles gut.
Meine beiden Mitbewohner und Hund kamen noch runter zu ner kleinen Abschlussrunde. War noch ein nettes Gespräch. Übermorgen kommt schon Ersatz.
22.48 Uhr: Im Wesentlichen ist der Koffer fertig gepackt. Ich will morgen früh um sieben Uhr hier wegfahren nach Campos, dort tanken (hier gibt’s keine Tankstelle und die haben hoffentlich schon offen) und von dort zum Flughafen weiter.
Bilder gibt’s später.
Guten Flug, Bobby!
Und schön, wenn Du wieder da bist. 🙂
Ja, erstaunlicherweise finde ich das grade auch schön.