26. Januar 2024

Der heutige Tag ist zwar noch „kein richtiger“ Urlaubstag, aber ich habe ihn ein wenig angeurlaubt, indem ich mich heute früh lesend in die Badewanne gelegt habe – völlig jenseits meiner Alltagsroutinen.

Zwei Bücher habe ich mir eingesteckt: „Menschen wie Bäume – Indignes Wissen – ein Weg aus der Krise“ von dem befreundeten österreichischen Autor Alexander Buschenreiter und „Die Liebe in Zeiten der Cholera“ von Gariel García Márquez, einem kolumbianischen Autor und Literaturnobelpreisträger. Letzteres, ein mossgrünes Hardcover, hat mir Inge zum 34. Geburtstag geschenkt, das heißt, ich will es seit 36 Jahren lesen und jetzt, endlich, schaffe ich es. Ich erhoffe mir davon Inspirationen für meine eigene Romanarbeit. In den letzten drei Nächten (und heute Morgen in der Badewanne) habe ich den 500-Seiten-Roman angelesen – mit großem Vergnügen. Die ersten Worte, die ich mir angestrichen habe: „die unwiederholbare Sturzflut der Tage“.

Diese Reise wird so ganz anders sein als die Guatemalareise, kein Retreat, sondern eine landeskundliche Rundreise; nicht allein, sondern zu viert. Außer meinen eigenen Interessen sind da also noch drei weitere zu berücksichtigen. Neben mir ist dabei Ila, 67 Jahre, leidenschaftliche Reisende, wie ich zum ersten Mal in Costa Rica und Lateinamerika; Uru, 63, reist ebenfalls leidenschaftlich, große Fotografin, war schon zweimal in Costa Rica; und last, but not least, Gepa, 52 Lenze, war auch noch nicht in Lateinamerika. Und: keine von uns spricht Spanisch.

Die Rahmenbedingungen: Ich hatte einen gewissen Volker von der Posada Nena in Costa Rica gefunden, einen Deutschen, der dort Rundreisen organisiert und mit dem wir alles hervorragend abstimmen konnten. Da seine Posada in der der Nähe von San José liegt (Flughafen), werden wir erst mal bei ihm sein und dann von dort aus losstarten.

In Kürze bringt uns Saif zum Bahnhof, wo wir trotz Bahnstreik (hoffentlich) unseren Zug nach Frankfurt bekommen und von dort dann mit der S-Bahn weiter zum Flughafen.

Yeah!

Intercity Hotel, Zimmer 3045. Wir haben alle Hunger und treffen uns 10 Minuten, nachdem wir unsere Zimmer bezogen haben, im Hotelrestaurant. Darüber gibt’s vor allem zu sagen, dass es weniger teuer war, als hätte sein können, und weniger steril als befürchtet. Ganz nett also, ganz schick, ein bisschen auf Designer-Restaurant gemacht, aber dafür letztlich dann doch zu billig. An den Wänden lauter großformatige, technisch gut gemachte Fotografien mit Flughafenbildern, aber alle cool, kalt, glitzernd, menschenfeindlich, die kondensierte westliche Welt. Ich esse ein Süßkartoffel-Curry. Schmeckt.

Im Zimmer bearbeiten wir zu zweit ein Probelektorat; der Abgabetermin wäre zwar erst Mittwoch, aber wir erledigen das heute schon und sind froh, dass wir’s hinter uns haben. Wenn wir den Auftrag bekämen, wäre da ne feine Sache.

27. Januar

Gut geschlafen, gönne mir ne Dusche. Es ist ca. 6 Uhr morgens, der Flieger startet um 10 Uhr. Wir haben uns unten am Restaurant auf nen Kaffee verabredet. Am Eingang vom Frühstückrestaurant erfahren wir, dass eine Tasse fünf Euro kostet, wenn man kein Frühstück gebucht hat (haben wir nicht). Ich lange mir spontan an den Kopf vor Überraschung. Dann sollen sie ihren Kaffee selber saufen, denke nicht nur ich mir. Ila war ein bisschen früher hier und konnte einen „illegalen“ Kaffee aus einem ab sechs Uhr gesperrten Kaffeeautomaten abstauben. Na gut, dann warten wir eben noch ne kurze Weile, bis um halb sieben der Shuttle zur Flughalle fährt. Kostet zehn Euro in dieser Richtung.

Da wir bei unserer Online-Flugbuchung übersehen hatten, das Gepäck mitzubuchen, müssen wir jetzt extra dafür zahlen. Zu viert stehen wir an zwei nebeneinandergelegenen Lufthansa-Schaltern mit zwei freundlichen Frauen. Ich buche als erster meinen Koffer ein, der überraschenderweise „nur“ 65 Euro kostet statt der erwarteten 90 Euro. Aber seltsam, bei Uru soll er dann 90 Euro kosten. Sehr seltsam. Das finden auch die beiden Frauen am Schalter. Und weil wenig los und alles entspannt ist, rufen sie bei ihrer vorgesetzten Stelle an, um das aufzuklären – mit dem Ergebnis, dass alle 65 Euro zahlen.

So, eingecheckt, jeder hat seine Boarding-Karte. Jetzt ist Warten angesagt. Jeder holt sich nen Kaffee und eine Kleinigkeit zum „Frühstück“, bei ist das eine Brezel. Wir sitzen in demselben Bereich, wo ich auf meinem Flug nach Guatemala schon gesessen war. Da ist also auch dieser Doppelschalter einer Currency Exchange rechts von mir, wo letztes Mal eine ausgesprochen attraktive Asiatin gearbeitet hat und wohin ein waffenbehangener Polizist zum Flirten gekommen war. Auch diesmal ist es eine Asiatin – ich stehe extra auf und gehe näher hin, um nachzuschauen – aber es ist nicht dieselbe. Mir gegenüber auf der anderen Seite des Gangs sitzt ein Mann in meinem Alter mit grauem, schütterem, kurzgeschnittenen Kopfhaar und einer großen, dunkelbaunen Hornbrille. Er trägt eine dunkelolive Freizeithose und ein braun-grau-orange gemustertes, großkariertes Hemd. Oft  hat er seinen Mund halb geöffnet und verzieht in immer wieder zu einer verächtlichen Grimasse. Meint er mich? Vielleicht, jedenfalls mustert er mich immer wieder unverhohlen über seine auf die Nasenspitze gerutschte Brille hinweg, so als würde auf meinem Platz ein Affe sitzen oder jemand mit einem auffälligen Geschwür.

Ich lese in Gabriel García Márquez‘ „Die Liebe in Zeiten der Cholera“ und muss mindestens einmal alle zwei Seiten lachen. So amüsant hatte ich mir den Roman nun wirklich nicht vorgestellt.

Im Wartesaal vor dem Fluggate Z50 werde ich entschädigt. Mir gegenüber sitzt eine ausgesprochen hübsche, grazile Spanierin mit ihrem ebenso grazilen Freund, sie in einem naturweißen, eher dicken Rollkragenpullover (vermutlich weiß sie, dass es im Flieger kalt wird) und in einer schwarz-ockernen Stretchhose, die sitzt, als wäre sie ihre zweite Haut, ohne dabei ordinär zu wirken. Einfach rundum zart, schön, edel.

In der Boing dann eine interessante Stewardesse, ungefähr 45 Jahre alt, rank und schlank. Sie wirkt, als hätte sie ihr Leben lang gehungert, um sich diese Figur zu bewahren. Wenn sie Getränke oder Essen austeilt, dann erledigt sie das super professionell, aber ebenso professionell lächelt sie oder zugehörigen Augenausdruck, ein Lächeln auf Knopfdruck. Dabei bilden sich, wie Ausbreitungswellen, wenn man einen Stein ins Wasser wirft, drei Falten an ihren Mundwinkeln, nur eben keine Kreise, sondern Halbkreise. Auf ihrer rechten Wange gab es wohl mal eine größere Verletzung, denn dort sind ihre Lächel-Halbkreise von einer Narbe entstellt, die man nicht sieht, wenn sie nicht lächelt.

Wir sind mit einer halben Stunde Verspätung abgeflogen. Damit ist die Transfer-Zeit, um unseren US-Airlines-Flieger nach Costa Rica / Sa José von zweieinhalb Stunden auf zwei Stunden geschrumpft. Wir müssen uns beeilen. Aber beeil dich mal, wenn du in einer Warteschlange von 300 Leuten vor der US-Pass-Kontrolle stehst und jeder seine Fingerabdrücke hinterlassen muss. Wir hoffen zwar, man würde auf uns warten, aber üblich ist das nicht. Das hieße dann: Zur Lufthansa gehen, Hotel für die Übernachtung buchen lassen etc. Ärger jedenfalls … Alles noch mal gut gegangen. Wir sind die letzte vier Personen, die an Bord gehen. 15 Minuten später hebt die Maschine mit uns ab.

Unsere Sitzplätze sind quer über den Passagierraum verteilt. Ich sitze auf einem der hintersten Plätze, neben wir eine ca. 35-jährige, dunkelhäutige Frau mit ihrer vierjährigen Tochter – wie sich herausstellt, eine Frankfurterin, die in Frankfurt am Flughafen-Ticket-Schalter für US-Airways arbeitet. „Ich habe ein paar Jahre für Lufthansa gearbeitet“, erzählt sie, „aber dort hat die Atmosphäre nicht gestimmt, du konntest auch in Kleinigkeiten keine eigene Entscheidung fällen, wenig flexibel, alles sehr bürokratisch. Das ist bei US-Airways ganz anders.“

 

Nach dreieinhalb Stunden sind wir da. Im Flughafen von San José – es ist warm, ca. 22 Grad – suchen wir lange nach einem Menschen, der uns abholen und zu unserem ersten Ziel, der Posada Nena bringen soll. Nach einigem Hin und Her finden wir zusammen. Er hat mit einem Schild auf uns gewartet, auf dem etwas anderes stand als das von uns Erwartete. Noch eine halbe Stunde Fahrt in den Vorort Santa Ana und wir beziehen unsere schönen, großen Zimmer hinter einem kleinen, tropischen Garten. Es ist ca. neun Uhr abends (nach deutscher Zeit ca. 4 Uhr morgens), als wir ins Bett fallen.

 

 

 

28. Januar

Um 6 Uhr werden wir abgeholt. So früh deshalb, weil wir für unsere Tagestour zur zur Kaffeehacienda Doka und zum Vulkan Poás noch ein paar Leute abholen. Unser Guide Martín ist eine sprachliche Ausnahmeerscheinung. Er setzt hinter zwei, drei Sätze auf Englisch nahtlos die jeweilige spanische Übersetzung, für mich sehr praktisch, weil ich so während der  Tour gleich noch ein bisschen Spanisch dazulerne. Das Frühstück (landestypisch mit warmem Reis und kleinen schwarzen Bohnen und Rührei) in der Kaffeehacienda schmeckt prima; zusätzlich gibt es fünf Kaffees zu verkosten (ich trinke drei unterschiedliche Tassen, alles schmecken unterschiedlich, aber immer gut). Anschließend werden wir über die Kaffeeproduktion geführt (the oldest coffee wet mill of Costa Rica, alles in gut verständlichem Englisch). Wir sind angemessen beeindruckt.

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Danach geht‘s zum aktiven Vulkan Poás, eine der größten Attraktionen vom Tentraltal. Was ich dabei lerne: Meine Vorstellung, man könne einen Vulkan an einem Vulkankegel erkennen, stammt aus der Grundschulzeit. Bei alten Vulkanen ist der Kraterrand längst eingebrochen, so dass der Berg aus der Ferne von anderen Bergen nicht zu unterscheiden ist. Im Besucherzentrum bekommen wir alle grüne Helme aufgesetzt. Das hat zwei Gründe: einmal natürlich eine Sicherheitsmaßnahme, falls der Berg spucken sollte, andererseits Teil des Besuchermanagements, denn jede Gruppe bekommt eine unterschiedliche Helmfarbe. So ist sichergestellt, dass nicht mehr als ca. 140 Menschen aufs Gelände gehen. Leider ist der Krater in dichte Wolken gehüllt, so dass wir ihn nicht sehen, aber sehr wohl riechen können. Es liegt Schwefel in der Luft; eine Luft, die übrigens ständig überwacht wird. Die Messergebnisse werden über eine Blau-Gelb-Rot-Ampel angezeigt. Blau bedeutet „unkritische Aktivität“, Gelb heißt „steigend Aktivität, am besten zurückziehen“ und Rot bedeutet „Besucherzone sofort evakuieren“. In unserer Gegenwart blinkt die blaue Leuchte gelegentlich auf.

Von dem Nachmittag hatte ich mir erhofft, dass ich Zeit zum Tagebuchschreiben und Lesen hätte, aber denkste. Gepa und ich wollten uns mit Hilfe des WLans unserer Posada eine sogenannte eSim holen, damit wir unabhängig vom WLan kommunizieren können. Wir machen ewig rum, schaffen es schließlich, dass wir je 18 Euro für 3 Gigabyte bezahlen, können es aber aufgrund eines Missverständnisses nur bei ihm einrichten. Also schieße ich, meine Geduld ist nach zweieinhalb Stunden Rumprobiererei endgültig erschöpft, meine 18 Euro erst mal in den Wind und lese, um wieder runterzukommen, eine halbe Stunde „Die Liebe in Zeiten der Cholera“.

Mit der jungen Frau von der Rezeption besprechen wir unseren Reiseplan und ein paar Fragen, die wir dazu noch haben. Anschließend wird uns ein ausgezeichnetes, karibisches Fischfilet serviert. Auch diesbezüglich gab eine Panne, denn Volker, unser Reiseorganisator, hatte vergessen, seine Schwägerin über unsere Essensbuchung zu informieren, so dass sie erst einmal gar nicht vor Ort war und per Taxi „anreisen“ musste. Aber insgesamt war’s dann doch ein guter Abend mit einem guten Glas Wein. Ende gut, alles gut.

29. Januar

Heute werden wir um 5.55 Uhr von einem Kleinbus abgeholt, wechseln aber nach ca. 45 Minuten in einen größeren Sammelbus. Unser Guide Umberto erzählt uns eine Menge zum Braullio Carillo Nationalpark, einem Bergregenwald mit fantastischen, dicht bewaldeten Berghängen. Am Rio Dante, halten wir im Open-Air-Restaurant der Mawamba Lodge (unserem Tagesziel) zum Frühstück. Dort sehe ich die erste tropische Bodenorchidee, also eine Orchidee, die auf ca. 1,50 m hohen Stängeln blüht. Nach dem gestrigen Frühstück ist das von heute eher eine geschmackliche Enttäuschung. Na ja …

Bei Siquirres verlassen wir den Highway und kommen auf einer Schotterstraße nach ca. 30 km und etwa eineinhalb Stunden Fahrt zu um ca. 10.45 Uhr an der Bootsanlegestelle am Cano Balnco. Da ist ein ziemlicher Rummel, denn dieser Pier ist ein Nadelöhr für alle Besucher des Tortuga Nationalparks. Die Personen steigen in ein Boot, in ein zweites werden alle Koffer verladen. Wir müssen ein Boot durch den Tortuqueres Kanal mitten im Regenwald nehmen, weil die Mawamba Lodge (Tortugero Nationalpark) nur übers Wasser oder mit dem Flugzeug zu erreichen ist. Unterwegs sichten wir ein paar Schildkröten und einen im Ufersand dösenden Kaiman. Wir fahren auf dem Boot 1,5 Stunden zur Lodge, am Schluss in starkem Regen („Welcome to the rainforest!“, sagt unser Guide Eric), so dass ich mich die letzten paar 100 Meter in den regenfreien Bug zurückziehe, bevor ich ganz nass bin.

In der Lodge bekommen wir, wohl überdacht, einen alkoholfreien Cocktail als Willkommenstrunk. Sobald wir unser Gepäck im Zimmer (kleine Bungalows auf dem Gelände) abgelegt haben, gibt‘s, Lunch (muy rico, sehr lecker). Später unternehmen wir mit Guide Mauricio eine Erkundungsrunde übers weitläufige Gelände und entdecken Tucane, ein Faultier, einen Leguan und ein Stachelschwein (beide auf Bäumen) sowie zwei ungewöhnliche Frösche. Einer ist so gut grün getarnt, dass ihn keiner von uns erkennt, obwohl uns Mauricio direkt vor das Blattwerk stellt und uns mitteilt, dass er uns buchstäblich vor der Nase sitzt.

   

Das ist Tarnung: Den Frosch auf Bild 3 sieht man nur, wenn man weiß, dass er auf diesem Blatt sitzt.

Um 17.30 Uhr Nightwalk mit Eric. Mit dem Boot fahren wir ein Stück zurück zur Nationalparkgrenze. Ab 6 Uhr ist es Nacht; alle mit Taschenlampe ausgerüstet sind wir auf dem Trail, einer schmalen, 1,6 km langen Betonrampe durch den Regenwald unterwegs. Der ist so dicht, dass der gelegentliche Regen kaum stört. Wir sehen einen Pfeilgiftfrosch, Geccos, riesige Nachtfalter, Zikaden, unterschiedliche Spinnen und eine nicht einheimische Giftkröte, inzwischen eine Plage. Sie wurde zur Bekämpfung von Schadinsekten in den Bananenplantagen eingeführt, doch droht sie inzwischen, auch die „gute“ Insektenwelt zu dezimieren. Was mich vielleicht am meisten beeindruckt, ist der hochaufragende, dichte, undurchdringliche wirkende Wald im Schein meiner Taschenlampe. 19.30 Uhr Dinner. Gemütlich und relativ früh ins Bett.

30. Januar

Heute mit Mauricio (44) in Ort Tortuguero gewesen, ungefähr einen Kilometer von hier. Er ist dort geboren und aufgewachsen. Er erzählt uns die sehr interessante Geschichte des Ortes, der sich von einer Baumfällersiedlung in einen touristisch beliebten Ort verwandelt hat. Alles lebt hier vom Ökotourismus, und alle sind auch dankbar dafür. Inzwischen hat der Ort Grund- und weiterführende Schule und ca. 2000 Einwohner. Wir waren mit dem Boot hingefahren und sind zu Fuß am Strand zurückgelaufen, ein bisschen in der – vergeblichen – Hoffnung, junge Schildkröten auf dem Weg ins Wasser zu sehen. Der Name Tortuguero stammt von la tortuga = die Schildkröte ab. Eine tortuguera ist eine Ansammlung von Schildkröten. Die beliebte, aber falsche etymologische Ableitung leitet sich von tortuga und guerra (der Krieg) ab und behauptet, hier habe man massenhaft Schildkröten umgebracht.

Nachmittags mit Mauricio eine zweistündige, naturkundliche Bootsfahrt in den Nationalpark unternommen.

 

War sehr ergiebig im Sinne von „viele Tiere in freier Wildbahn gesehen“ inklusive Brüllaffen, Spinnen-Affen und Aras. Nachdem mich Mauricio schon vormittags auf einen Kaffee bei seiner Mutter eingeladen hatte, sprechen wir uns nach der Tour entsprechend ab. Er empfiehlt mir, mit dem Taxi nach Tortuguero zu kommen, weil er mit dem Fahrrad hinfährt. Ich bin erstmal verwirrt: Taxi? Wie? Hier gibt es doch keine Autos. Bis ich begreife, dass ein Wassertaxi gemeint ist. Das klappt auch. Ich zahle 2000 Colones (4 Dollar) und bin zehn Minuten später da. Mauricio wartet schon am Pier.

 

 

 

 

Er bringt mich zu seinem (sehr) bescheidenen Häuschen in Tortuguero und schneidet eine heute Morgen geerntete Guanabana-Frucht auf. Er gibt mir davon ca. ein Drittel einer Hälfte (das Ding ist ziemlich groß), die köstlich mild süß in Richtung Kokos schmeckt, sehr saftig ist und deren Fruchtfleisch ich mit den Zähnen quasi scheibchenweise abschäle. Er erklärt, man könne die beliebte Frucht nicht exportieren, weil man sie nur vollreif ernten könne. Nähme man sie halbgrün vom Baum, dann würde sie hart und würde nicht mehr schmecken. In jeder „Fruchtscheibe“ befindet sich ein schwarzer Kern, den ich in den Graben vor dem Haus seiner Mutter ausspucke. Bis dahin dauert es noch einen Augenblick.

Die Guanabana-Frucht: bis zu 30 cm groß, sehr beliebt, köstlich, nicht exportierbar

Mauricio stellt mir seine junge, ziemlich hübsche Frau vor, ca. 25 Jahre, und geht dann mit ihr und mir 50 Meter weiter zur Hütte seiner Mutter in derselben Straße. „Su madre“ ist trotz ihrer ca. 64 Jahre und acht Kindern noch immer ziemlich attraktiv und steht mit Bluse, lockeren Jeans-Shorts und Zigarette in der Haustür, nachdem er geklopft hat. Ihre langes, graues Haar hat sie zu einem dicken Zopf geflochten, der ihr bis zwischen die Schulterblätter in den Rücken hängt. Da niemand auf meinen Besuch gefasst war, findet mein Besuch in der kleinen, vielleicht zwei Meter breiten Gasse statt, wo wir am Schluss stehen und zu fünft einen Kaffee trinken, nämlich Mauricio, seine Frau, sein Bruder (der kein Wort spricht, dafür aber sehr cool ist), seine Mutter und ich. Ständig kommen Menschen vorbei, die ihn, sofern es Einheimische sind, mit „Ola Mau“ begrüßen. Mauricio erzählt, er habe in den letzten 20 Jahren schon mehrfach Touristen eingeladen, die sich dann auch immer dafür bedankt haben, nur gekommen sei keiner. Ich sei der erste.

Gegen halb sechs verabschieden wir uns und ich gehe auf einem Fußpfad am Strand entlang „nach Hause“ in die Mawamba Lodge. Mauricio wollte mir eine Taschenlampe mitgeben, damit ich den Pfad nach Schlangen ausleuchten könne. Ich habe aber eine Handy-Taschenlampe, also alles gut.

31. Januar

Der größte Teil des Tags vergeht mit unserem „Transfer“ in die Posada Nena in Puerto Viejo (der alte Hafen), ein, wie sich herausstellt, ziemlich touristisches Karibikküstenstädtchen. Um hierher zu kommen, sind wir erst einmal ca. 1,5 Stunden mit dem Boot unterwegs, dann ca. 2 Stunden mit dem Bus. Nach einem gebuchten (und ganz ordentlichen Mittagessen) haben wir unseren Toyota übernommen. Mit dem wären es weitere 2,5 Stunden Fahrt gewesen – wenn wir nicht eine falsche Straße genommen hätten, auf der wir nur 25 bis 35 km/h langsam fahren können. Als uns klar war, dass wir uns verfahren haben (wir haben dem Navi misstraut), hat es sich nicht mehr gelohnt, die ganze Strecke zurückzufahren, denn die Richtung hat ja gestimmt. Die Straße führte über eine aufgegebene Eisenbahnstrecke und damit auch über zwei ziemlich schmale Eisenbahnbrücken, die so unzuverlässig aussahen, dass wir erst Zutrauen gefasst haben, als zwei einheimische Autos darübergefahren waren, ohne dass die Brücke einstürzte.

Zwei schöne, nebeneinander liegende Zimmer im 1. Stock der Posada. Nach dem Abendessen direkt am Strand (ich esse Süßkartoffel-Puffer mit Guacamole) machen wir Halt in einer Bar auf einen Espresso, ohne zu fragen, was er kostet. Nächstes Mal sind wir schlauer: 4,50 $ pro Tässchen.

Unser Frühstück hier: Zuerst eine Schale mit Papayastückchen, Ananas, Honig- und Wassermelone und dann das