6. Februar 2024

Heute waren wir auf einer Kajak-Tour, Ila und Gepa in einem Zweier-Boot, ich in einem Einer. Gestern hatte ich befürchtet, die Tour wegen meiner Schulter nicht mitmachen zu können, aber heute Morgen hatte sich das Kugelgelenk wieder zu 80 Prozent beruhigt. Offiziell ging die Tour von 8 bis 12 Uhr, aber tatsächlich kamen wir erst gegen halb zwei zurück. Wir waren flussabwärts zehn Kilometer auf dem Rio Tres Amigos unterwegs, mittelgroß, etwa so breit wie die Main, und dann noch zwei Kilometer auf dem Rio San Carlos, etwa Rheingröße. Unser Führer hieß Danfer, ein Name, den wir uns nur wegen seiner Ähnlichkeit zu Dampfer merken konnten. Danfer war wieder einmal so ein costa-ricanisches Wunder, denn er sprach kein Englisch, hatte sich aber so viele englische Worte und Phrasen (auch ein paar deutsche) angeeignet, dass man gut verstehen konnte, was er uns zeigen bzw. mitteilen wollte. Irgendwann lotste er uns zu einem großen, im Fluss in Fließrichtung liegenden Baumstamm, auf dessen Rückseite ca. 20 kleine Fledermäuse hingen und schliefen. Ganz in der Nähe dieser Stelle machten wir auf einer Kiesbank Halt und verspeisten eine halbe Wassermelone und eine halbe Ananas, die er uns kunstfertig aufschnitt, so dass wir sie happenweise essen konnten. Mit podemos natar aqui [hier können wir schwimmen], lud er uns ein, uns frei zu machen. Ila und Gepa hatten keine Lust, ich schon. Mit der Unterhose als Badehose wagte ich mich ins ca. 22 Grad kühle und damit sehr erfrischende Wasser, das nur ein paar Meter weit wirklich tief war – was auch gut so war, denn gegen den Strom anzuschwimmen, war mir unmöglich. Dabei wirkte der Rio Tres Amigos ausgesprochen gemütlich bis träge. Ich wandte mich also wieder in Richtung Ufer, um mit Sand unter den Füßen das Stückchen zurückzugehen, das mich der Fluss davongetragen hatte.

Leguane gab es ziemlich viele, auf einem Baum lagerten drei, wovon sich wenigstens einer bewegte. Mit ihren gezackten Rücken wirken sie wie kleine, etwa katzengroße Drachenjunge, die sich an einen Ast geklebt haben. Hauptsächlich und ganz undrachenhaft ernähren sie sich vegan von Blättern, Früchten und Nüssen, etwa denen der wilden Feige, die auch bei den Brüllaffen sehr beliebt ist. Von denen sahen wir auf Mittag zu zwei größere, in den Astgabeln ruhende Gruppen. Um den langweiligen Anblick aufzulockern, bewies Danfer eine ganz andere Sprachbegabung: äffisch. Er ahmte ihre Laute so perfekt und provokativ nach, dass die Affen ganz in Bewegung gerieten, an den Ästen entlangliefen und zurückbrüllten. Die erste Gruppe versuchte, uns mit einem Exkremente-Regen aus der Höhe zu vertreiben, hatten aber zum Glück kein Zielwasser getrunken.

An sich hatte ich gedacht, mit dem Fluss unterwegs zu sein, wäre eine leichte Übung, aber das war’s dann doch nicht, denn ohne Paddeln wären wir wohl auch angekommen, nur vielleicht drei Stunden später. Anders ausgedrückt, die letzten zwei Kilometer von den zwölf waren anstrengend genug, dass ich eine Entdeckung machte. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich fürs Paddeln die Armkraft eingesetzt. Es gab aber auch die Möglichkeit, den Arm anzuwinkeln und mit der Schulter nach hinten zu ziehen, was viel weniger anstrengend war. Wieder was gelernt.

7. Februar 2024

Ich habe mich schon ein paarmal gefragt, wie anders es hier riecht. Vielleicht so: Stell dir vor, dass du Wärme riechen kannst. Die Luft ist ein klein wenig dicker, ohne sich schwer zu atmen. Wer jemals im Tropenhaus eines botanischen Gartens war, kann sich davon eine Vorstellung machen, allerdings mit dem Unterschied, dass dieses Tropenhaus bis zum Himmel reicht, mit Bäumen ausgestattet ist, die man als Wolkenkratzer bezeichnen könnte, und mit Tieren aus dem Garten Eden, und mit Menschen, die das Lächeln nicht verlernt haben. Und es ist ein Tropenhaus ohne stickige Luft, sondern eher mit gelegentlich vorüber wehenden, würzigen Düften, denen man gerne hinterher flattern würde, wenn man ein Schmetterling wäre.

Ich habe fertig gepackt. Es ist 9:55 Uhr. Ich sitze im Restaurant, wo wir gefrühstückt haben und jetzt schon das Almuerzo vorbereitet wird. Irgendwie kann ich mir dieses Wort für Mittagessen nicht merken. Aber vielleicht, wenn ich es ein paarmal aufschreibe: almuerzo, almuerzo, almuerzo. Dabei fällt mir etwas Verblüffendes ein: Das Frühstück heißt desayuno. Klingt erst einmal unauffällig. Spannend wird es, wenn man weiß, dass es auch das Wort „el ayuno“ gibt, das spanische Wort für „Fasten“. Desayuno ist also so etwas wie Fastenbrechen am Morgen.

Neben mir habe ich mein Handy liegen, das sich eben an einer Steckdose in der Säule neben mir auflädt. Hinter mir befinden sich zwei von Fotografen wie Uru heiß begehrten Plätzen: ein langer, zwischen zwei gabelförmigen Baumstümpfen aufgehängter Ast, auf dem gerne größere Vögel Platz nehmen, um sich fotografieren zu lassen (ca. 12 Meter entfernt), und eine t-förmige Balkenkonstruktion. Das T wird von einem ausgehöhlten, nach oben hin offenen, ca. zwei Meter langen Baumstück gebildet, in dem überreife Bananen liegen. Unter dem T-Stück sind noch ein paar Bündel Bananen angebunden. Es gibt kaum fünf Minuten, ohne dass sich dort kleine und große Vögel gütlich tun. Morgens kommt ein dürrer, älterer Mann, um die alten Bananen zu entfernen und neue anzubringen. Dazu stochert er mit einer langen Machete die alten Bananenreste aus dem ausgehöhlte T-Stück und schneidet die angebundenen Bananen ab. All das wirft er auf den Boden neben sich. Darauf haben die Nasenbären nur gewartet, die hier frei im Gelände rumlaufen und ungefähr die Größe einer sehr großen, langgestreckten Katze mit einer ziemlich spitzen Schnauze haben (https://www.costa-rica.com/naturerlebnis/flora-und-fauna/saeugetiere/kleinbaeren). Offenbar kennen sie die Zeit des Bananenwechsels. Die alten Bananen liegen keine fünf Minuten auf dem Boden, als auch schon ca. zehn große und kleine Nasenbären angelaufen kommen und sich um das Futter balgen. Ab und zu schält der alte Mann eine Banane und hält sie den Bären hin. Der Bär, der Männchen macht, bekommt den geschälten Leckerbissen. Erstaunlich: Ist es einem Bären gelungen, eine ganze Banane für sich zu erbeuten, dann machen ihm die anderen Bären sein Beutestück nicht streitig. Er setzt sich damit ein paar Meter entfernt hin und muffelt genüsslich.

Um 11 Uhr checken wir aus. Auch das funktioniert sagenhaft einfach: Wir stellen unsere Koffer vor die Tür des Baumhauses, bringen Funkgerät, Taschenlampe und Zimmerschlüssel zurück. Dann werden unsere Koffer abgeholt und zur Fähre gebracht. Auf der anderen Flussseite steht unser Auto. Damit fahren wir weiter in Richtung Westen (Atlantik) nach La Fortuna, wo wir zwei Zimmer im Boutique Hotel „la Fortuna Suites“ gebucht haben. Vom Dach aus hat man einen Ausblick direkt auf den Vulkan Arenal. Von ihm heißt es, er sei der aktivste und jüngste Vulkan von Costa Rica und einer der aktivsten Vulkane der Welt. Er ist momentan 1670 Meter hoch, wächst aber aufgrund der ständig austretenden Lava jedes Jahr ein paar Meter. Der letzte größere Ausbruch fand 1968 statt (vermutlich von Kommunisten angefeuert). Am Fuße des Vulkans liegen der Ort La Fortuna und der größte Binnensee des Landes, der Arenal-See. Eindrucksvolle Aufnahmen des Arenal Observatory findet man hier: Arenal Volcano Eruption 2010 und hier: Arenal Volcano Tribute, La Fortuna, Costa Rica.

Gut angekommen. Direkt vor unserem steht der Arenal, ein Bilderbuch-Vulkan; als wir kamen, war er ganz frei, jetzt, um 16.35 Uhr trägt er eine Wolkenkrone, Regenwaldbäume vor seiner im Gegenlicht dunklen Wand.

8. Februar 2024

Heute war der Arenal verschwunden. Die Luft/Atmosphäre war so dicht, dass man nicht ahnen konnte, dass dieser riesige Vulkan in nur zehn Kilometer Entfernung aufragt. Grade sitze ich auf einer Dachterrasse, es ist 18.20 und natürlich schon Nacht, der Regen prasselt aufs Metalldach (hier absolut üblich), aber die Decke dazwischen ist mit Bambus verkleidet. Ein paar Sessel stehen an niedrigen Holztischen, ich habe an einem kleineren, runden Esstisch aus Teakholz Platz genommen und nutze die Zeit zum Tagebuchschreiben, während Flasche Cabernet Sauvignon aus Argentinien, die wir in der Maquenque-Lodge nicht verbraucht haben. Hier sitze ich gerade: https://la-fortuna-suites.hotels-in-fortuna.com/es/#sc-cluster-gallery-5

 

 

 

 

Heute Nachmittag hatten wir eine großartige „Schokoladen-Tour“ (mit wenig Regen) auf der Bio-Kakaoplantage Eden (sucht nach „Eden Chocolate Tour“). Warum großartig? Erstens wurde sie von einer Ökologie-Studentin namens Yara sehr kenntnisreich durchgeführt, zweitens konnten wir praktisch alle Stufen von der getrockneten Kakao-Bohne bis zum fertigen Schokodrink ausprobieren und unsere eigene Schokoladenpraline produzieren (jeder von uns fünf, eine davon habe ich schon genossen, die anderen vier liegen im Kühlschrank bereit; mindestens eine davon werde ich später am Abend (jetzt ist es 18.44 mit einem Schluck Rum probieren). Es ist eine kleine Farm von sieben Hektar Land mit 700 Kakaobäumen. Was ich am eindrucksvollsten fand, war die Information, dass sie extra Bananenstauden pflanzen, weil in den Wurzeln der Bananenpflanzen Insekten nisten, die die Kakaoblüten bestäuben. Jeder Kakaobaum produziert Tausende von Blüten, aber nur wenige davon werden befruchtet und reifen zu Früchten heran, die direkt am Holz wachsen, ein sehr ungewöhnlicher Anblick. Inzwischen gibt es gentechnische Züchtungen, die besonders resistent sind gegen Krankheiten.

 

 

Auf den folgenden Bildern: Kakaoblüten, Kakaobabys, Kakaoerwachsene: