Ach ja, werden manche bei dieser Überschrift seufzen, das wäre ja schön und gut, wenn es die bösen Russen nicht gäbe; und andere: Schön und gut, wenn es die NATO nicht gäbe. Und möglicherweise seufzen beide gemeinsam: Wenn es die Rüstungskonzerne nicht gäbe.
Und schon entfaltet das Wörtchen „Wenn“ seine deprimierende Wirkung, denn wenn man seine Ziele so hoch ansetzt, kann man gleich die berühmte Flinte ins Korn werfen. Was kann man schon mit einer Flinte gegen Panzer und Bomben ausrichten.
Krieg und Frieden sind in unserer Kultur zwei zusammengewachsene Begriffe, seit Tolstoi die Absurdität des Krieges in seinem gleichnamigen Werk bis ins Detail beschrieb. Doch es gibt noch eine andere, wichtigere, meist geschlossene Kammer in unserem Gedächtnis, in der ein anderer Frieden auf Entdeckung hofft.
Es ist der Frieden der Erde, der Frieden wachsender Keime im Frühling, der Frieden rauschender Baumkronen, unter denen ein Igel im Gras ruht und leise schnarcht, oder der Frieden eines sich putzenden Vogels auf dem Ast darüber. Es ist auch der Frieden, wenn eine Amsel einen Wurm verschlingt, ein Krokodil einen Affen frisst oder ein Gepard eine Antilope schlägt. Frieden ist kein Hei-Tei-Tei-Gefühl, Frieden hat etwas damit zu tun, dass die Ur-Ordnung der Welt in ihren Fugen bleibt. Und wenn au Menschenkampf Blut fließt, wenn also der Mensch auf die Empathie, seine großartigste Fähigkeit, vergisst, dann ist die Welt aus den Fugen.
Wir alle kennen diesen anderen Frieden, den man auch als wilden Frieden bezeichnen könnte. Er kann sein, ohne dass seine Teilnehmerinnen bzw. Bewohnerinnen gleicher Meinung sein können; sie können sogar ganz anderer Meinung sein, so wie Amsel und Wurm. Er kann auch zwischen Menschen und Menschengruppen einkehren, sogar in uns selbst, etwa beim morgendlichen Aufwachen oder in der Zärtlichkeit nach einem Orgasmus. Wir könnten diesen Frieden pflegen, das Unsere dazutun, wir könnten uns zu Friedensverantwortlichen entwickeln, jeden Tag neu. Das ist doch eine Perspektive.