19. November

Heute hatte ich Waschtag, hab alles, was ich auf der Haut trage, meine T-Shirts und Unterhosen mit dem Waschmittel, das mir Inge mitgegeben hatte, im Waschbecken in der Küche durchgewaschen, doppelt gespült und draußen aufgehängt. Sogar Wäscheklammern gibt es hier. Jetzt sitze ich also „unten ohne“ in meiner kurzen Hose an meinem „Schreibtisch“.

 

 

 

Apropos „Waschen“. Auch das Abspülen meines Geschirrs ist ein ganz eigener Vorgang. Meistens geschieht das nämlich kalt. Dafür gibt’s ein spezielles Spülmittel (Dishwashing Paste/Lavaplatos en crema) in einer 500-Gramm-Dose mit einer festen Konsistenz, ungefähr so wie eine hart gefrorene Butter. Man gibt etwas kaltes Wasser in einen Teller und verreibt dort die Paste (oder zwischen den  Fingern), von der man sich ein Scheibchen abgeschnitten hat. Die Reinigungswirkung ist dann letztlich wie mit heißem Wasser. Bei mehr Geschirr setze ich Wasser im Wasserkessel auf dem Gasherd auf.

 

Heute hab ich bei der Suche nach einem Päckchen Tee für mich etwas Neues entdeckt. Ich stand vor dem Regal mit diversen Teesorten, sogar Macha gab es, aber dann war da auch ein Schächtelchen mit Blätteraufdruck und dem Namen „Pericón“, günstiger als alle anderen. Glücklicherweise waren grade zwei einheimische Hippies im Laden, so dass ich sie auf Englisch danach fragen konnte. Sie meinten, it’s locally made, that’s why it has a good price. Okay, und was sagt Wikipedia? Die deutsche Ausgabe kennt das nicht, aber die amerikanische: „Tagetes lucida ist eine mehrjährige Pflanze, die in Mexiko und Mittelamerika beheimatet ist. Es wird als Heilpflanze und als Küchenkraut verwendet. Die Blätter haben einen Estragon-ähnlichen Duft mit einem Hauch von Anis.“ Stimmt, schmeckt gut, ich genieße grade die erste Tasse. Und als ich lese, staune ich schon ein bisschen: „Tagetes lucida wird auch heute noch hauptsächlich als Tee gegen Erkältung, Blähungen und Durchfall verwendet.“ Na dann.

Die Katzen hier sind nicht nur lästig, sondern auch manchmal erschreckend. Gestern Nacht geh ich in die Küche und will spontan, warum auch immer, die Vorhänge zuziehen. Als ich mich dem Fenster zuwende, starren mich zwei große gelbe Augen an. Ich bin wirklich erschrocken, bevor ich begriff: Da sitzt die schwarze Katze außen auf’m Fensterbrett.  Und eben, gegen Viertel nach neun, bin ich grade dabei, meinen Rechner runterzufahren, als ein Höllenlärm in einem gefühlten Abstand von einem Meter in der Dunkelheit neben mir losbricht, so dass ich erschrocken hochfahre, während eine der beiden Katzen über meine Terrasse jagt und wieder in der Nacht verschwindet. Wer schon mal eine lautstarke Auseinandersetzung zwischen zwei Katzen gehört hat, kann sich dieses plötzlich einsetzende, laute Kreischen gut vorstellen. Hat wirklich Horrorqualitäten. Grade sehe ich, dass ich mir beim Aufschrecken an der eisernen Tischkante am linken Handrücken einen kleinen, ein wenig blutenden blauen Fleck beigebracht habe.

Nach wie vor undiszipliniert mit dem Mittagsschläfle und infolgedessen zu früh müde.

20. Dezember

Heute hatte der Himmel diese sehr spezielle Klarheit, wie ich sie nur von hier kenne. Die Vulkane wirken wie in den Himmel gezeichnet (ich glaube, in den Alpen gibt’s das auch). Das war Anlass genug, heute schon um kurz nach sechs zum Lago zu gehen und den Sonnenaufgang zu genießen. Vor mir saß ein junger Guatemalteke mit offenbar derselben Absicht. Leider hat er die schöne Stille mit nem guatemaltekischen Bayern-3-Sender auf seinem Handy ge- bzw. zerstört. Glücklicherweise hat er sich kurz, nachdem die Sonne über den Horizont gestiegen war, verzogen.

Anschließend hatte ich mir in den Kopf gesetzt: Jetzt in der Circles-Bäckerei ein Croissant zum Kaffee und dazu Martin Buber lesen. Das fühlte sich mächtig gemütlich an, war aber keine gute Idee. Denn trotzdem ich auf einer Bank in der Sonne lesend bis halb acht gewartet hatte – was auch ganz schön war –, war die Bäckerei noch immer geschlossen.

Was mich verblüfft hat: In der öffentlichen Versammlungshalle nebenan, wo Veranstaltungen jeder Art stattfinden, die aber auch als Sportplatz genutzt wird, spielten schon zwei Jugendmannschaften früh um sieben Uhr Basketball.

Irgendwann hat mich die Vernunft übermannt und ich ging nach Hause, hab mir selber nen Kaffee bereitet und ein wunderbares Müsli dazu (seltsamerweise wirkt der Kaffee hier auf mich nicht so „treibend“ wie in Deutschland); wunderbar, weil ich auf dem Weg zur Bäckerei eine Art Orange gefunden hatte, die zusammen mit der geschnippelten Banane einen köstlichen Geschmack fabriziert hat. Warum sage ich „eine Art Orange“? Die Frucht sah aus wie eine kleine Orange, hatte auch die Farbe, schmeckte aber pur wie eine Mischung aus Grapefruit und Orange. Und enthielt an die 20 große Kerne, die ich mit dem Messer sorgfältig rausgepult habe. Was für eine üppige Vermehrungsrate dieser Baum wohl hat?

Kleine Beobachtung: Hier liegen auf dem Weg immer wieder Indigene auf dem Boden, offensichtlich betrunken, und schlafen. Aber anders als ich Deutschland legen sie sich selten auf Bänke, auch wenn die nebenan sind, sondern lieber auf die Steine des Weges. Da ihnen, wie es heißt, ein spezielles Enzym fehlt, um den Alkohol in europäischer Geschwindigkeit abzubauen, werden sie viel schneller betrunken als unsereins. Philip erzählte mir, es gebe hier bestimmte Häuser im Ort mit einer Türklappe. Dort könne man klopfen, einen Quetzal reinreichen und bekäme ein Stamperl selbst gebrannten Schnaps der schlechtesten Qualität.

Die ersten Zweidrittel des nun folgenden Tages waren anstrengend: Erst ca. zwei Stunden Arbeit für die Datenbank, dann zwei Stunden Spanisch und dann nochmals zweieinhalb Stunden Datenbankarbeit, weil für eine Veranstaltung heute Abend noch dringend Daten erfasst werden mussten. Danach war ich geschlaucht und hab meinen Morgenplan gegen vier Uhr nachgeholt.

Jetzt haben wir 19.14 Uhr. Statt des Mittagschläfchens hab ich ne längere Abendmeditation hinter mir, so dass ich jetzt wohl doch noch ne Weile schreiben kann. – Hat noch fast vier Stunden geklappt. Muy bien.