28. November

Mein letzter Tag am Lago. Wenn ich wollte, könnte ich jetzt in melancholischen Gedanken baden. Will ich aber nicht. Ich hoffe sehr, dass ich das Roman-Projekt als Priorität mit heimbringe und angemessen daran weiterarbeiten werde. Zur Erfolgsgeschichte dieser fünf Wochen gehört, dass ich meinen E-Mail-Verkehr um 90 Prozent einschränken konnte. Was auch bedeutet, dass ich Anfang Dezember den Wandel-Newsletter nur als Notausgabe versenden werde.

Vorgestern hatte ich noch eine tüchtige Überraschung. Als ich nachmittags heimkam und einen Teil meiner Sachen in die „Küche“ brachte, musste ich mich ermahnen: „Bobby, du hast nicht sorgfältig genug sauber gemacht!“ Auf dem gerillten Edelstahlabfluss unter dem Geschirrständer hatte ich einige Brösel nicht entfernt, so dass sich dort eine Horde winziger Ameisen zum Festmahl eingefunden hatte. Solche Ameisen kenne ich von zu Hause nicht, sie sind ungefähr einen, vielleicht auch zwei Millimeter groß. Ich habe sie mit dem Spülschwamm in den Guss befördert, in dem sich ein dunkelbraunes Etwas befand, dass ich unter den Wasserspritzern bewegte und entfaltete zu einem Prachtexemplar von einem Skorpion. Na denn, ein Glas war in der Nähe und mein Skorpion-Entfernungs-Pappdeckel auch noch. Wie das Biest in meinen Guss kam, ist mir ein Rätsel.

Worüber ich, glaube ich, noch gar nicht berichtet habe, ist das Wetter hier. Meine Regenjacke habe ich vergeblich mitgebracht. In all diesen Tagen gab es einmal einen leichten Sommerregen, und ausgerechnet da hatte ich sie nicht dabei; ich wurde allerdings auch nur ein wenig nass. Die Temperaturen lagen konstant frühmorgens zwischen 13 und 15 Grad, tagsüber zwischen 22 und 25 Grad. Der Guatemala-Slogan „Land des ewigen Frühlings“ passt also perfekt für europäische Maßstäbe – jedenfalls hier fürs Hochland. In den Dschungelgegenden, die es auch gibt, wird’s schon heißer.

Heute Abend werde ich ein letztes Mal zum Sonnenuntergang und Abschiednehmen an den See gehen. Ach, auch noch vergessen: Die AirB&B-Unterkunft war auch prima. Wer mal Ähnliches vorhat, dem kann ich die Adresse weiterreichen. Wenn ich mal von Carlos, dem nebenan wohnenden Vermieter etwas gebraucht habe, dann hat eine WhatsApp-Nachricht genügt und er hat sich zuverlässig drum gekümmert.

Mein Abschied vom und am Lago Atitlan entpuppt sich als Rechnung ohne den Wirt: “Mein” Restaurant ist zu, geschlossene Gesellschaft. Im zweiten am See ist mir zu viel los, außerdem gibt es keinen Stromanschluss für den Laptop. Also bleibe ich eine Weile “so” und mache noch das Bild, das ich schon dauernd aufnehmen wollte: die Bergsilhouette, die Antoine de Saint Exupéry zu seiner Zeichnung von der Schlange veranlasste, die den Elefanten verschluckt hat.

Also besuche in ein Restaurante am Hippie Highway, wo ich noch nie war und bekomme, ein wunderbares Knoblauch-Naan, dazu ein Schälchen Olivenöl und ein Glas Wein. So lässt sich’s schreiben. Es war die richtige Intuition, nicht gleich wieder nach Hause zu gehen, ich bekomm ein ganzes Kapitel fertig.

29. November

Ein Entwicklungsland wie Guatemala ist letztlich ein Labor des Kapitalismus. Der Supermarkt fungiert als eine Art Metainstrument. Attraktiv wirkende, verhältnismäßig billige Produkte – jedenfalls billiger als die lokale Handarbeit – erobert Menschen, denen nicht bewusst ist, dass sie mit anonymen, herzlosen und qualitativ in der Regel minderwertigen Waren abgespeist werden. Woher sollten sie es wissen; bislang kannten sie nur gute Qualität. Und mit diesen Produkten „ausgerüstet“ begeben wir uns in die Welt und wirken mit an der Schaffung einer industriellen, denaturierten und dehumanisierten, Wirklichkeit. Wir sind nicht nur Rädchen im Getriebe, sondern werden, ob wir wollen oder nicht, zu Mittätern. Hier in diesem Land ist dieser Prozess noch nicht vollständig vollzogen, aber er kündigt sich an allen Fronten an.

Es ist 11.02 Uhr. Meine Morgenarbeit ist erledigt, meine Essensreste hab ich zu einem Brunch-Lunch verschafft und gefuttert, der Koffer ist reisefertig (hoffentlich nicht zu schwer) und nun warte ich noch auf die Bestätigung von Carlos, dass er jemanden aufgetrieben hat, der mir um ein Uhr den Koffer zur Straße runterschleppt. Es ginge zwar auch irgendwie alleine, aber sehr mühsam auf diesen Wegen, wo man ihn nicht rollen kann. Danach will ich in der Bakery ein letztes Croissant verspeisen, gemütlich lesen und gegen zwei Uhr zur Basketballhalle hochrollern, wo um halb drei das Colectivo (Sammeltaxi-Kleinbus) kommen soll. Alistair meinte, es könne alles von 20 Minuten vor bis zu 30 Minuten nach dem Termin sein.

11.45 Uhr. Ich habe die Bestätigung, dass mein Koffer zur Straße getragen wird. Noch ein sehr schönes Gespräch mit Carlos gehabt über Kennedys Ermordung. Und dass er vermutlich nächsten Oktober in Spanien ein Apartment mieten wird, das 650 € im Monat kostet. Vielsagend ergänzt er: „It got two bedrooms, man“ und verabschiedet sich mit „See you some day, brother.“

Ich habe den kleinen Text „Die Bedrohung“ geschrieben. Jetzt mach ich mich mal fertig, denn mein Helfer könnte jeden Augenblick eintreffen.

30. November

Hat auch prima geklappt. Es war der Freund von Carlos‘ Sohn. Er hat sich meinen 20-kg-Koffer auf die Schultern geladen, als wäre da noch Platz für einen zweiten und vor mir den Pfad zur Straße gelaufen, teils singend, teils den Koffer nur mit einer Hand haltend. So fit kann man sein. Auf der Straße, wo ich ihm 40 Quetzales gab, also ca. fünf Euro, hab ich ihn nach seiner Beziehung zu Carlos gefragt (er sprach relativ gut Englisch). Dabei erzählte er mir, dass er mit seinem Sohn zusammen als Zimmermann arbeitet.

Bin dann noch mit meinem Koffermonster in die Bäckerei marschiert, wo ich den letzten dieser köstlichen Croissants zu nem Kakao getrunken habe. Mein Colectivo sollte um halb drei kommen, also hab ich mich vorsichtshalber um zwei Uhr an die vereinbarte Stelle gesetzt und gelesen. Gegen Viertel vor drei kam ein Mann, schaute mich an und sagte: „Mr. Langer?“ „Si.“ Er erklärte mir auf Englisch, ich müsse erst mit einem TucTuc in den nächsten Ort (ca. 5 km) nach San Pedro fahren – was nichts zusätzlich kosten würde –, dort würde mich dann das Colectivo aufklauben. Er also voraus, ich mit Rucksack und kofferziehend hinterher. Am Straßenrand, am Eingang zum Hippie Highway saß zwei Europäerinnen, die wohl auch warteten und die er ansprach und ihnen das Selbe erklärte. Die zwei verabschiedeten sich, und so zogen wir ca. 200 Meter die Straße hinauf zu einem dort wartenden TucTuc.

In San Pedro setzte uns der Fahrer an einer ziemlich belebten Geschäftsstraße vor einer farmacia ab. Die mitreisende junge Frau war eine hübsche, sehr sexy Polin auf Südamerikareise war und nach Guatemala City wollte. Da sie fließend Englisch sprach, konnten wir uns ganz gut unterhalten. Sie war zuvor in Mexiko gewesen und hatte da eine tolle Erfahrung mit der Ehrlichkeit der Leute gemacht. Sie hatte etwas gekauft und aus einem Missverständnis heraus zu viel bezahlt. Schon auf der Straße hörte sie lautes Rufen hinter sich. Die Verkäuferin kam ihr nachgelaufen und drückte ihr das zu viel bezahlte Geld in die Hand.

Uns gegenüber war der Eingang zu einer Versammlungshalle, die so voll war, dass die Leute (die Eltern?) bis auf die Straße hinausstanden. Von drinnen hörte man sehr klar und deutlich eine lautsprecherverstärkte Frauenstimme, die einzelne Vokale erklärte und dazu jeweils ein Lied vorsang, das die ganze Gemeinde, überwiegend (oder alles) Kinder, nachsagten und nachsangen. Das waren bestimmt 50 oder mehr Kinderstimmen und hörte sich einfach süß an.

Wir warteten nochmals 20 bis 30 Minuten – die Polin wurde schon ganz unruhig, ich seltsamerweise gar nicht –, bis endlich der Bus kam, unsere Namen aufrief, unser Hauptgepäck auf den Dachgepäckträger lud und los ging die ca. 3,5 Stunden währende Fahrt. Ich saß zwischen zwei Amerikanerinnen, die links von mir hübsch und südamerikanisch aussehend, aber amerikanisch superfett, aus New York, die rechts von mir eine schlanke NGO-Mitarbeiterin aus Washington D.C.,  ganz nett, aber nicht besonders mitteilsam. Also hab ich mir meine blaue Wolljacke gegen den Zug aus den offenen Fenstern um den Hals gebunden und einen Großteil der Fahrt verdöst.

Alistair holte mich an der Iglesia La Merced, wo das Colectivo uns abgesetzt hatte, ab, wir erledigten noch ein paar Einkäufe für zu Hause und setzten uns gemütlich in ein wunderschöne italienische Weinbar (gegründet 1903, Einrichtung überwiegend aus Holz mit hohen Wandregalen, in denen lauter verschiedene, volle Weinflaschen standen) zu einem kleinen Snack hin – als mir auffiel, dass mein Handy weg war. Dabei hatte ich noch mit Alistair telefoniert, damit wir uns finden konnten. Er war so lieb, hat sein Essen sehen lassen und lief zum Auto und die Geschäfte ab, wo wir gewesen waren, aber vergeblich. Na ja, heute werden wir nochmals meine Nummer ein paarmal anrufen, und wenn niemand rangeht, dann war’s wohl wirklich geklaut. Ja, mei. Jetzt ist es nicht mehr so wichtig. Ist ja nur noch ein Tag in Guatemala.

Der zweite 30. November

Lustig, irgendwann habe ich mich zeitlich überholt und einen Tag später eingegeben. Mit anderen Worten: Gestern war der 29., heute der 30.

Heute ein gemütlicher Tag, Alistair, Lucia und ich haben erst mal bis 12 Uhr gearbeitet und dann der Muße gefrönt. Die beiden nahmen mich zu einer Avocado-Finca in der Nähe von Antigua mit, wo sie mir ein Avocado-Lunch (ist nämlich grade große Erntezeit) spendiert haben. Es bestand aus allerlei Avocado-Snacks, am interessantesten und köstlichsten waren panierte Avocadostückchen.

 

 

 

 

 

Anschließend sind wir zur „Liegewiese“ umgezogen, wo unter einem Sonnenschutzdach mehrere naturfarbene, große Hängematten aufgehängt waren, PERFEKT für mein Nachmittagsschläfchen. Das war wirklich ganz Ruhe, ganz Entspannung für vielleicht zwei Stunden. Ab und zu hab ich die Augen geöffnet und den am Himmel kreisenden Geiern zugeschaut, manchmal ca. 10 Vögel. Lucia kannte den Inhaber, un amigo de mi, den wir dann auch noch auf einer Miniwanderung durch die Plantage trafen, ein netter, gut Englisch sprechender Mann um die 40 mit seinem kleinen weißen Hund, den er halb verhungert gefunden und wieder aufgepäppelt hat. Er erzählte, einen Großteil der Avocados könnten sie für das Restaurant verwenden, einen anderen Teil würden sie gegen Honig eintauschen, den sie ebenfalls in der Küche verwenden. Er interessiere sich sehr für Permakultur und sei grade am Experimentieren, was er an welchen Stellen der Finca anbauen könne. Nächstes Jahr würde sie beginnen, Avocadoöl herzustellen und zu vermarkten.

Inzwischen war’s kurz vor sechs Uhr und Lucia „entführte“ uns in das belgische Restaurant einer Bekannten, deren Mann dort Küchenchef ist. Wir haben aber nur was getrunken, weil wir den Abend zu Hause verbringen wollten. Da Alistair vorhatte zu kochen, haben wir bei nem Supermarkt Halt für Gemüse gemacht. Zeitlich haben wir uns kein Limit gesetzt, weil die Nacht sowieso kurz werden würde: Um halb vier war der Wecker gestellt. Damit ich mich frisch in den Flieger setzen kann, hab ich noch geduscht, dann mein Gepäck zu 99 Prozent abreisefertig gemacht und dann in der Küche beim Gemüseschnippeln geholfen. Kurz vor neun Uhr saßen wir noch gemütlich zusammen auf der Terrasse, dazu gab’s ne Flasche guatemaltekisches Bier. Sehr herb, hat mir gut gepasst. Gegen halb elf war dann Bettzeit.

1. Dezember

Grade sitze ich in der Lounge des Houston Airport am Gate 16. Ich bin kurz nach neun hier angekommen, hab schon die ganze Gepäckabhol- und Wiederaufgabeprozedur sowie Passkontrolle und Handgepäckkontrolle hinter mir, hab 20 Euro in Dollar umgetauscht (ergab ca. 17 $), dito meine restlichen Quetzales. Mit 19 Dollar in der Tasche wollte ich dann was essen und trinken gehen. Im einzigen Bistro im Gate-Bereich, Hugo’s, wollte ich mich setzen, aber die Frau am Tresen meinte, ich solle erst den QR-Code einscannen und dann bestellen – was bei mir ausreichend Fragezeichen ausgelöst hat, dass sie ein wenig mitleidig meinte, sie würde mir jemanden an den Tisch schicken. Das geschah dann auch, war eine ein wenig knurrige Mitarbeiterin (ich würde mal sagen mit mexikanischem Migrationshintergrund), die mir eine Speisekarte vorlegte. Das Einzige, was ich mir leisten konnte, war ein Cesar’s Salad mit Hähnchenbrust. Das hätte aber 19,30 $ gekostet. Als sie also kam, hab ich ihr mein Geld auf den Tisch gelegt und gemeint, da würden nun leider 30 Cent fehlen. Sie meinte nach kurzer Überlegung: „Don’t worry, I’ll take care of it“ und fragte, abgehend, ob ich auch ein Wasser möchte. Wollte ich. Zehn Minuten kam sie mir einer großen Salad Bowl und einem großen Glas Wasser an. Na ja, hab ich mir gedacht, sie weiß ja, wie viel ich habe, und hab mit gutem Appetit die mäßige Qualität verzehrt. Dazu hab ich das „Südliche Blütenland“ gelesen. Als sie dann mit der Rechnung kam, waren’s 17,75 $ inkl. Getränk. Hab ich nicht verstanden, musste ich auch nicht. Ich hab ihr die 19 $ in die Hand gedrückt, mich bedankt und gemeint, der Rest sei für sie. Was ihr wiederum ein Lächeln ins Gesicht gezaubert hat.

Irgendwie ist mir der Tag gut gesonnen. Heute Morgen hat’s auch gut geklappt. Um drei Minuten vor vier waren wir im Auto und auch die ganzen Check-in-Prozeduren in Guatemala City und in Houston gingen flüssig und viel müheloser als auf dem Hinweg.

 

 

 

Die sechs Stunden konnte ich mir ganz gut mit einem von Alistair empfohlenen Film und meinem „Blütenland“ verkürzen, außerdem war ja noch das Tagebuch zu vervollständigen. Als dann der Boardingtermin näher rückte und noch kaum Menschen da waren, wohl aber Personal, dachte ich erst mal: „Na prima, dann ist der Flieger ja halb leer!“ Kam mir dann aber doch seltsam vor und auf meine Nachfrage, ob ich hier für den Flug nach Frankfurt richtig sei, wie auf meinem Boarding Ticket vermerkt, meinte die Frau, nein, nein, der sei auf Gate 10 verlegt worden. Na prima. Also hab ich meinen Kram zusammengepackt und bin zum Gate 10 weitergezogen. Dort war dann schon ein Mordsgedränge, aber das Boarding hatte noch nicht begonnen. Noch mal gutgegangen!

 

 

 

2. November

Wieder zu Hause. Um kurz vor neun Uhr sind wir in Frankfurt gelandet, zehn Minuten vor der Zeit. Dafür musste dann der Airbus ca. 15 Minuten warten, bis er seine Parkposition ansteuern konnte. Die lag diesmal, eher ungewöhnlich, ziemlich weit draußen auf dem Flugfeld, wo wir von Bussen abgeholt wurden. So gab’s auch gleich mal eine fette Dusche kalter deutscher Luft. Bei der Zollkontrolle ging’s superschnell, es gibt jetzt eine automatisch Passmaschine, eine Kombination aus Pass-Scan und Gesichtserkennung. Man legt seinen Reisepass rein, dann wird das Bild des Reisepasses mit deinem Gesicht verglichen und die Sperre geht auf. Hat ungefähr fünf Sekunden gedauert. Nachdem ich gefühlte zwei Kilometer zu den Gepäckbändern gelatscht war, durfte ich dort eine geschlagene Stunde auf meinen Koffer warten. Immerhin kam er, ist ja auch schon was. Glücklicherweise hatte ich mich schon auf die kalten Temperaturen vorbereitet und konnte dann vierschalig zum Fernbahnhof runtersteigen. Wartezeit 25 Minuten für einen Zug, ohne Umsteigen, nach Nürnberg. Also bin ich zum Aufwärmen nochmals nach oben gegangen, hab mir ein belegtes Brötchen gegönnt und dazu nen großen Milchkaffee. Dabei habe ich dann erfahren, dass München und Umland wegen Schnee und Eis komplett geschlossen sind.

Im Zug war noch genug Platz. Mit mir kam ein vielleicht 30-jähriger Schwarzer aus Frankreich, der mir sein Zugticket zeigte. Er wollte eigentlich nach Linz fliegen und von dort dann noch ein Stück mit dem Zug nach Salzburg. Stattdessen habe sie ihn in Frankfurt rausgesetzt und ihm ein Bahnticket in die Hand gedrückt. Als ich ihm die München-Situation erklären will, merk ich, dass er kein Wort Englisch oder Deutsch spricht, dafür umso schneller Französisch. Hm, also hab ich meine letzten Brocken Französisch ausgekramt und irgendwie zusammengestoppelt, dass er zwar im falschen Zug sei, was aber nichts mache, denn seiner um 14 Uhr würde auch über Nürnberg fahren. Und ab dort gehe sowieso nichts mehr, dort müsse er an der Auskunft fragen, wie er weiterkommt. Aber seine Aufregung+mein Französisch-Gestoppel haben ihn total verunsichert, so dass er noch bei anderen versucht hat, ne Auskunft zu bekommen (er saß inzwischen neben mir). Aber die konnten noch weniger Französisch als ich (und das will was heißen). Also steh ich auf und ruf laut ins Abteil rein: „Spricht hier jemand Französisch?“ Zwei Sitzbänke weiter meldet sich ein Franzose, der fließend Deutsch spricht und der’s ihm dann nochmals erklärt. In der Zwischenzeit hab ich mich auf die andere Zugseite durchgekämpft bis zu den Zuführern und denen die Situation erklärt. Nach ein bisschen Hin und Her haben sie dann rausgefunden, dass man von Nürnberg auch über Regensburg nach Salzburg kommt und mir die Zeiten und Züge aufgeschrieben, mit denen ich dann zu meinem Schützling und seinem neuen französischen Helfer zurückkehre.

Mehr konnte ich jetzt nicht mehr tun und hab die Augen geschlossen. Fünf Minuten vor der Ankunft in Würzburg, um 13.35 Uhr, bin ich aufgewacht und habe unseren Mitbewohner Saif angerufen, der mich dann mit dem Auto abgeholt hat. Ende gut, alles gut. Nur: Wärmer wurde es in Würzburg allerdings auch nicht.