Als sie mich im Traum besuchte, war sie 18 Jahre alt, vielleicht auch 17 oder 22. Und sie war so schön, dass ihr Anblick mein ganzes Wesen mit Glück durchtränkte. Sie trug ihr dunkles, welliges Haar kurz geschnitten, wie das oft schicke, alte Frauen tun. Sie sah aus, wie hübsche, junge und intelligente Frauen eben (für mich) aussehen: gertenbiegsam und schlank, mit einer weichen Rundung der Hüfte, wohlgeformte, kleine Brüste, ein ovales, zierlich ausdrucksvolles Gesicht. Nur ihre großen, dunklen Augen waren anders, waren unmodern: voll zarter Aufmerksamkeit, liebevoll, liebesbereit und stark, ja beinahe gefährlich. Und was ich kaum glauben wollte: Diese Liebe, diesen unverwelkbaren Strauß an Morgenlicht und Zärtlichkeit schenkte sie rückhaltlos – mir.

Jetzt, viele Stunden nach diesem Traum weiß ich: Es war eine Fee. Sie hatte die Erotik einer Holunderdolde. Und ich entsinne mich – neben ihrer durchdringenden, strömenden Schönheit – vor allem dieses Gefühls der Überraschung, des Nicht-Glauben-Könnens, dass ich der Beschenkte war. Dass sie mich ebenso gut hätte bedrohen, ja vernichten können, mit der gleichen Kraft, nur eben aus einer anderen Richtung, auf einer anderen Ebene. Und die Dankbarkeit, dass sie es nicht tat! Das verbliebene Gefühl erinnert an Wasser, das mal lebenspendend köstlich, mal bedrohlich und gefährlich ist.

Und nun hat sie in mir Platz genommen und schaut von innen heraus durch mich und meine Sinne in die Welt. Beispielsweise habe ich heute über einen kleinen Fehler von mir geflucht; und gleich war sie da und legt mir – von innen – den Zeigefinger auf die Lippen, so dass sich mein Fluch in ein Lächeln verwandelte. Ja, so ist sie. Ich hoffe, sie bleibt, denn sie macht meine inneren Bewegungen flüssiger, harmonischer, liebevoller und wahrer … so wie sie eben ist.